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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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viel wirst du schon erfahren haben. Jeder einzelne von uns wird von hundert Seiten bedroht und wir verbrauchen unsere ganze Kraft damit, auf unseren Kopf zu achten, der allzu leicht vom schwarzen Block rollen kann. Wirklich, Mary, auch das ist kein einfaches Leben.«
    »Ich glaube es, Mylord.«
    »Ja? Doch, ich denke, du weißt, was du sagst. Du bist ein erfahrenes Mädchen. Wir, England, gehen dunklen Zeiten entgegen. Das Land wird sich spalten, es wird Haß und Verrat geben, Tod und Elend ... « Der Lord schwieg und hing seinen eigenen Worten nach.
    Mary bemühte sich, keine Bewegung zu machen. Sie traute ihm nicht. Sie blieb auf der Hut, aber seine nächsten Sätze überraschten sie.
    »Du besitzt Mut und Intelligenz, Mary«, sagte er, »beide Eigenschaften findet man leider nicht allzu häufig. Du bist außerdem ehrgeizig, vielleicht viel mehr, als du überhaupt ahnst. Ich denke, daß du einen Vorteil erkennen und ergreifen kannst. Und ich biete dir jetzt einen. Du kannst für mich arbeiten. «
    »Ich arbeite bereits für Sie, Mylord«, entgegnete Mary vorsichtig.
    Cavendor warf ungeduldig den Kopf zurück. »Du verstehst mich schon«, sagte er, »ich meine nicht deine Dienste als Hausmädchen.
Du bist zu schade dafür, Lady Cavendors verweinte Taschentücher zu waschen. Du sollst für mich arbeiten, für mich als Mitglied des Geheimen Kronrats Seiner Majestät!«
    »Ich glaube, ich begreife jetzt nicht ganz...«
    »Ich brauche immer wieder jemanden, der Botengänge für mich übernimmt, Nachrichten überbringt, Menschen trifft und zu mir führt, Botschaften für mich in Empfang nimmt... Es ist schwierig, dafür geeignete Leute zu finden. Sie müssen geschickt, klug und mutig sein und dabei unauffällig wirken. Ich denke, daß ein vierzehnjähriges Mädchen wie du dafür taugt! Was meinst du?«
    »Ich weiß nicht, ob ich all Ihren Anforderungen gerecht werden kann, Mylord.«
    »Das kannst du, Mary. Zunächst geht es darum, daß ich dir vertrauen kann. Ich kann dir doch vertrauen?« Er sah sie eindringlich an. Mary hielt dem Blick stand.
    »Natürlich, Mylord.«
    » Wer unser Vertrauen mißbraucht, sollte wissen, daß wir uns das unter gar keinen Umständen leisten können. Unsere Gegenmaßnahmen sind dementsprechend.«
    »Ja, ich verstehe.«
    »Gut. Ich wußte, daß du klug bist. Nun, wie ist es? Gefällt dir mein Vorschlag?«
    Mary zögerte.
    »Darf ich noch eine Weile darüber nachdenken?«
    Cavendor erhob sich. »Das darfst du. Du mußt dich nicht von einem Moment zum anderen entscheiden.« Er trat an sie heran und strich ihr sanft übers Haar. Seine Augen glänzten, und Mary erschauerte, weil sie begriff, daß es nicht nur praktisches Interesse war, was Cavendor zu ihr hinzog.
    »Gute Nacht«, flüsterte er, neigte sich zu ihr hin, aber sie wandte rasch das Gesicht ab.
    Lieber lasse ich mich auf die Straße setzen als von dir küssen, dachte sie angewidert. Aber glücklicherweise schien Cavendor nicht verärgert. Er lächelte und verließ mit wehendem Mantel das Zimmer. Seine Schritte verklangen auf der Treppe. Aufatmend sank Mary in ihre Kissen zurück. Welch eine seltsame Nacht. Schon
jetzt kam ihr der Gedanke, daß der Lord in ihrem Zimmer gewesen war und mit ihr gesprochen hatte, wie ein ferner Traum vor. Aber das Parfüm war noch im Raum, ein schwerer, süßer Duft, so exzentrisch wie Cavendor selber. Ob er es wirklich ernst gemeint hatte? Nicht, daß sie die Vorstellung, für ihn irgendwelche geheimnisvollen Dinge zu tun, übermäßig verlockt hätte, aber ihr fiel ein, was Lettice gesagt hatte, ehe sie sich voneinander trennten.
    »Denk bloß nicht, du hättest in ihnen Freunde gefunden! Für sie bleibst du immer, was du bist. Sie werden dich fallenlassen.«
    Mary hatte oft über diese Worte nachgedacht. Lettice hatte recht, und oft überlegte sie, was sie tun könnte, sich wertvoller zu machen. Hier nun witterte sie eine Möglichkeit. Wenn Cavendor sie brauchte und sie ihm nützlich war, dann sprang vielleicht irgendwann einmal etwas für sie dabei heraus. Sie konnte ihn nicht ausstehen, aber das spielte für seinen Nutzen womöglich keine Rolle.
    Am nächsten Tag ging sie zu ihm und sagte ihm ihre Unterstützung zu.
    Zunächst änderte sich dadurch nichts in ihrem Leben. Noch immer war sie den ganzen Tag mit Wäsche und Kleidung ihrer Herrschaft beschäftigt und nutzte ihre wenige freie Zeit, sich von Anne Brisbane Französisch beibringen zu lassen. Sie lernte leicht und schnell, hatte aber ständig

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