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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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das Südufer erreichte.
    Am Südufer ging es lebendiger zu als im Norden. Aus winzigkleinen, vergitterten Fenstern fiel immer wieder ein Lichtschein auf die schmale Gasse. Aus den Wirtshäusern klang Gelächter, und auf den steinernen Stufen vor den niedrigen, windschiefen Häusern saßen schnarchende oder gröhlende Menschen und genossen die warme Luft der Hochsommernacht. Mary fragte sich, wie sie den fauligen Verwesungsgestank um sich herum aushielten. Nicht einmal in Shadow’s Eyes hatte es so bestialisch gerochen. Mit angehaltenem Atem irrte sie durch die Gassen, von denen eine aussah wie die andere, verlief sich, weil Cavendors Beschreibung nicht im entferntesten stimmte, und gelangte schließlich durch Zufall in die Sherwood Alley. Sie entdeckte das Sherwood Inn sofort. Es stand zwisehen
den anderen Häusern, ebenso schief wie seine Nachbarn und sein Dach neigte sich so weit vor, daß es den Giebel des gegenüberliegenden Hauses berührte. Das Schild über der Tür war mit ausgeblichenen Farben bemalt, mit Blumen und einer Frau im weißen Kleid, und mit den goldenen Schriftzügen stand Sherwood Inn darauf.
    Mary klopfte zunächst zaghaft, dann lauter an. Irgend jemand in diesem Haus mußte noch wach sein, denn in dem vorderen Fenster brannte eine Kerze. Sie wollte sich schon wieder resigniert abwenden, da vernahm sie schlurfende Schritte und die Tür wurde vorsichtig geöffnet. Ein alter Mann, dessen weiße Haare und langer Bart zu einem dichten Gestrüpp zusammenwucherten, stand vor ihr und starrte sie aus alterstrüben, aber sehr klugen Augen an.
    »Wir sind ein offenes Haus«, sagte er »warum kommst du nicht einfach rein?«
    »Es tut mir leid«, erwiderte Mary, die das Gefühl hatte, einen Fehler begangen zu haben, »ich habe hier einen Brief. Von Lord Cavendor. « Sie reichte ihm die versiegelte Rolle.
    Der Alte nahm sie gleichgültig entgegen.
    »Muß ich lesen«, knurrte er, »komm herein. Warte hier, vielleicht will er eine Antwort.«
    Er schlurfte davon und verschwand durch einen Vorhang in ein angrenzendes Zimmer. Mary blieb in dem düsteren Schankraum stehen. Die Decke war niedrig, von wuchtigen Holzbalken gestützt. In einer Ecke befand sich ein weißgekalkter Kamin, vor dem ein räudiger Hund schlief. Es gab ein paar Tische und Bänke, aber alle waren leer. Einige Kerzen befanden sich auf dem Fachwerk an den Wänden und erhellten schwach die nächtliche Dunkelheit.
    Mary machte sich auf eine längere Wartezeit gefaßt. Sie hatte nicht den Eindruck, der alte Mann werde sich sehr beeilen. Sie setzte sich auf eine Bank und stützte den Kopf in die Hände. Mit leiser Stimme versuchte sie den Hund zu locken, aber er blinzelte sie nur müde an und rührte sich nicht. Sie selbst fühlte sich hellwach, angespannt und nervös. Wenn Anne wüßte, oder Lady Cathleen! Sie lachte unruhig und spähte zu dem Vorhang hin, hinter dem der Alte verschwunden war. Gerade wollte sie aufstehen und sich ein
wenig genauer umsehen, als die Eingangstür heftig aufgestoßen wurde und ein Gast eintrat. Mary wich erschrocken zurück und starrte ihn an. Niemals vorher hatte sie einen solchen Mann gesehen.
    Er war groß, viel größer als Ambrose, etwa wie Cavendor, aber viel schlanker. Sein Gesicht war schmal und intelligent, er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose, darüber einen schwarzen Umhang, der bis hinunter zu seinen ledernen Stiefeln reichte. Um die Hüften hatte er einen bestickten Gürtel, an dem sein Schwert hing, und seine Hände steckten in großen, schwarzen Stulpenhandschuhen. Er hatte dunkles Haar, keinen Bart wie die meisten Männer seiner Zeit, und tiefbraune Augen. Seine Bewegungen waren kraftvoll und elegant, in seinem Blick lagen Selbstsicherheit und eine Andeutung von Machthunger. Er sah aus, als sei er es gewöhnt, immer sofort beachtet zu werden und andere Menschen unter seinen Willen zu zwingen. Daneben ging eine wachsame Zurückhaltung von ihm aus; es schien, als sei er keineswegs bereit, den Menschen, die er für sich gewann, auch zu vertrauen. Als er Mary sah, lächelte er, und es war ein Lächeln von solchem Charme, daß Mary es unwillkürlich erwiderte.
    »Der alte Will Shannon hat aber seltsamen Besuch heute«, sagte er, »was hat dich denn hierher verschlagen?« Sein Blick war sehr eindringlich, und Mary bemühte sich, ihn selbstbewußt zu erwidern.
    »Ich erfülle einen Auftrag«, entgegnete sie geheimnisvoll und ärgerte sich über das amüsierte Blitzen in den Augen des

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