Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
ihr eine große, dunkle Gestalt auftauchte.
»Tag, Mary«, sagte eine bekannte Stimme.
Sie fuhr herum. »Ach, Sie sind es. Guten Tag, Mr. de Maurois.«
»Wie geht es dir?«
»Danke schön, gut. Und Ihnen?«
»Hervorragend!« Er trat einen Schritt zurück und musterte sie von Kopf bis Fuß.
»Neulich nachts gefielst du mir besser«, meinte er, »was soll dieses alberne Tuch um deine Haare?«
»Ich muß es tragen, Sir.«
»So? Nun gut. Was hast du denn eingekauft?« Er spähte in ihren Korb.
Mary wich etwas zurück. »Ich muß jetzt gehen. Man erwartet mich.«
»Ich begleite dich ein Stück.« Ohne ihre Zustimmung abzuwarten ging er neben ihr her. Er schien sehr viele Leute zu kennen, denn immer wieder blieb er kurz stehen und sprach mit jemandem oder rief Vorübereilenden ein paar Grußworte zu. Mary bemerkte, daß sie selber viele neugierige Blicke erntete. Wer auch immer dieser Nicolas sein mochte, er erregte Aufmerksamkeit bei den Menschen, und die Frau an seiner Seite ebenfalls. Mary reckte sich. Dann kam ihr ein Einfall.
»Sie scheinen halb London zu kennen«, meinte sie leichthin, »kennen Sie zufällig L. Winter?«
Nicolas blieb stehen.
»Ich würde meinen Kopf dafür verwetten, daß das etwas mit deinen geheimen Aufträgen zu tun hat!« rief er. »Das Kind hat Blut geleckt und möchte nun mehr wissen!«
»Nun, ich...«
»Wenn du weiterhin zwielichtigen Geschäften nachgehen willst, Mary Askew, solltest du schnellere und gescheitere Antworten wissen. Nie ins Stottern verfallen, hörst du? Aber mir kannst du ohnehin nichts vormachen. L. Winter... mich soll der Teufel holen, wenn damit nicht Lady Winter gemeint ist, Lady Francita Winter, eine der engsten Vertrauten Ihrer Majestät, unserer Königin Katharina !«
»Ach!«
»Du weißt über den Hof noch nicht genügend Bescheid. Lady Francita Winter ist zur Zeit in aller Munde. Sie gehört zu den getreuesten der Getreuen um die Königin und ist deren festeste Stütze. Es gibt Leute, die behaupten, ohne Lady Winter hätte Katharina bereits in die Scheidung eingewilligt.«
»Dann muß der König sie hassen!«
»Ja, im Augenblick dürfte sie neben dem Papst sein ärgster Widersacher sein. Nun sag mir«, Nicolas blickte Mary belustigt an, »wie möchte man sie beseitigen? Entführen? In ein anderes Land bringen? Zurück nach Spanien? Oder die Sache noch einfacher beenden? «
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Aber Mary, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht versuchen, mich anzuschwindeln! Cavendor hat dich zu Will Shannon geschickt, da kann ich mir ohnehin alles zusammenreimen. Er ist ein bedeutender Hehler, aber ein noch viel bedeutenderer Giftmischer! Ah, jetzt wirst du blaß!«
»Sir, bitte, sprechen Sie zu niemandem davon!« rief Mary. »Wenn Cavendor erfährt, daß ich...«
Nicolas ergriff belustigt ihre Hand. »Warum sollte ich das tun?« fragte er sanft. »Ich habe keinen Grund, dir Böses zu wünschen. Und ich habe keinen Grund, etwas für Lady Winter zu tun. Ich werde stillschweigend die kommenden Ereignisse abwarten und eines Morgens werde ich hören, daß man Francita Winter tot in ihrem
Schlafzimmer gefunden hat, und heimlich bei mir werde ich denken: Mary Askew hat ihre Sache gut gemacht!«
Mary sah ihn entsetzt an. »Reden Sie doch nicht so! rief sie. »So grausam und... und...« Ihr fielen keine Worte mehr ein. Sie ließ ihn stehen, und ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte sie davon, den ganzen Weg bis nach Hause. Dort verkroch sie sich in ihr Zimmer, stellte sich an das Fenster und starrte hinaus auf die Themse. Mühsam drängte sie die Tränen zurück, die ihr in die Augen stiegen. Niemals, das wußte sie, hätte sie sich auf diese Geschichte einlassen dürfen. Sie ließ sich in Lord Cavendors finstere Intrigen verwickeln und fand das noch besonders schlau, weil sie glaubte, sich damit wertvoll für ihn zu machen. Aber in Wirklichkeit hatte sie sich ihm in die Hände gespielt.
Sie überlegte, ob sie sich Anne anvertrauen sollte, kam aber zu dem Schluß, daß das nicht gut wäre. Weder Anne noch Cathleen würden begreifen, warum sie sich überhaupt je mit Cavendor eingelassen hatte, und vielleicht würden sie es sogar als Verrat empfinden.
Ich muß allein damit fertig werden, dachte Mary düster, wenn ich wenigstens Will Shannons Brief nicht gelesen hätte, dann wüßte ich gar nicht, was los ist. Ich muß versuchen zu vergessen, daß ich ihn gelesen habe!
Auf jeden Fall, Lord Robert Cavendor, sie wandte sich
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