Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
mit einer heftigen Bewegung vom Fenster ab, auf jeden Fall bringst du mich weder vor die Sternkammer noch nach Tyburn, und eher läßt du dein Leben am Galgen als ich, darauf magst du getrost dein eigenes Gift nehmen!
     
    Es wurde Herbst, ein feuchter, neblig kalter Herbst, der die Menschen in ganz England stöhnen ließ. Es war kein guter Sommer gewesen, man hatte eine schlechte Ernte eingefahren, nun wußte man kaum, wie man den Winter überstehen sollte. Und im ganzen Land trieb die Kirche Geld ein, denn sie hatte die vom König verlangte Bußsumme noch nicht zusammenbekommen.
    Bei aller Feindlichkeit des Königs gegenüber der Kirche ließ sein Lordkanzler Sir Thomas More noch immer protestantische Ketzer verfolgen und verbrennen. Wenigstens einmal in der Woche
brannte vor den Toren ein großer Scheiterhaufen, auf dem eine ganze Zahl Männer und Frauen, Anhänger der Lehren Martin Luthers, ihr Leben ließen. Mary ließ sich zweimal von Nicolas überreden, hinzugehen und zuzuschauen, aber sie empfand nichts als Grauen und Entsetzen beim Anblick der schwarzgekleideten, betenden, schreienden Menschen. Sie merkte deutlich, daß Nicolas hingegen mit einem merkwürdigem Glitzern in den Augen diesen Ereignissen beiwohnte. Sie wollte ihn eigentlich nie wieder treffen, aber das war unmöglich, denn er schien nahezu überall zu sein. Sie mußte oft in die Stadt gehen, und dort begegnete sie ihm fast immer. Manchmal tat sie so, als hätte sie ihn nicht bemerkt und lief rasch in eine Seitengasse oder neigte sich tief über irgendein Gemüse. Aber das half nie etwas. Nicolas’ Augen entging nichts. Plötzlich war er hinter ihr, legte seinen Arm um sie und lächelte sie an. Er hatte immer etwas Wichtiges zu erzählen, den neuesten Gesellschaftsklatsch oder Neuigkeiten aus der Politik. Mary staunte, wie gut er sich auskannte und wie schnell er über Dinge informiert war, von denen andere noch gar nichts wußten. Als noch niemand davon sprach, erzählte er Mary bereits, der Papst habe einen Brief verfaßt, in dem er alle Mädchen der ganzen Welt mit dem Fluch ewiger Verdammnis bedrohte, wenn sie es wagen sollten, mit dem König von England vor den Traualtar zu treten.
    »Also, sei vorsichtig, Mary«, warnte er sie, »wenn Seine Majestät dir einen Antrag macht, was nicht mehr lange dauern kann, dann lehne unter allen Umständen ab. Du endest sonst in der Hölle!«
    »Ich werde es berücksichtigen«, versprach Mary ernsthaft.
    Das Merkwürdigste war, daß Mary Nicolas de Maurois im Grunde überhaupt nicht kannte und auch keineswegs näher kennenlernte. Sie wußte beinahe nichts über ihn. Er hatte erzählt, daß er aus einer einmal sehr angesehenen und wohlhabenden Familie stammte, die sich aber zugrunde gewirtschaftet und in Armut gebracht hatte.
    »Vornehm gingen sie unter«, erzählte er, »meine Mutter begriff bis zu ihrem Tod nicht, daß das Haus, in dem sie lebte, völlig verschuldet war, und Gott sei Dank durfte sie sterben, ehe die Gläubiger es uns wegnahmen. Und mein Vater, elegant und kultiviert, ertrug
den Gedanken an die Schrecken eines Schuldgefängnisses nicht. Er setzte seinem Leben vorzeitig ein Ende, um wenigstens im seidenen Morgenrock statt in Ketten auf fauligem Stroh zu sterben. «
    Aber Mary erfuhr nie, wo Nicolas jetzt lebte und welcher Arbeit er nachging, falls er das überhaupt tat. Insgeheim argwöhnte sie, daß er sich keinesweg innerhalb der gesetzlichen Ordnung bewegte. Zu einem Mann wie Nicolas paßten Raubüberfälle, Messerstechereien, Totschlag und Betrug. Sie konnte ihn sich nicht in einem ehrlichen Gewerbe vorstellen.
    Natürlich hatte er ganz anderes im Sinn, als mit Mary über die Marktplätze der Stadt zu schlendern, aber jede Annäherung von seiner Seite wehrte sie energisch ab. Sie hatte Frederic und keinen anderen Mann sollte es in ihrem Leben geben, schon gar nicht Nicolas de Maurois, der zu denen gehörte, die nicht lange fragten. Verbissen wich sie ihm aus. Manchmal lachte er darüber, manchmal wurde er ärgerlich.
    »Du prüde, hinterwäldlerische, kleine Jungfrau«, sagte er zornig, »was soll das? Läufst du mit irgendwelchen Prinzipien durch die Gegend? Das solltest du dir beizeiten abgewöhnen, sonst kommst du nicht weit!«
    »Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß es einen Mann gibt, den ich heiraten werde. Und im übrigen legen Sie besser Ihr protziges Gehabe ab, damit kommen Sie nämlich auch nicht weit, jedenfalls nicht bei mir!«
    Nicolas blieb stehen und sah auf Mary

Weitere Kostenlose Bücher