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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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starrte auf Cavendor. »Was ist geschehen?«
    »Du sollst gefälligst meine Fragen beantworten! « Anne schwebte am Rande eines Zusammenbruchs, aber es gelang ihr, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    »Was hast du gesehen und gehört?«
    Mary wandte ihren Blick von dem toten Körper auf der Erde und sah in Annes schmales, vor unterdrückter Erregung zuckendes Gesicht.
    »Ich habe nichts gesehen, Miss Brisbane. Und nur wenig gehört. Aber...« nun schaute sie wieder den Lord an, »hat Mylady ihn umgebracht? «
    Cathleen schrie auf, Anne wich entsetzt zurück. Beide sahen auf das blasse Mädchen, das in seinem langen weißen Nachthemd, unter dem die bloßen Füße hervorsahen, mit der Bettdecke über den Schultern und den offenen roten Haaren wie ein Gespenst aussah. Ihr Gesicht hatte einen fragenden, aber keineswegs allzu erschütterten Ausdruck, die Augen blickten klar und wissend. Anne begriff sofort, daß Mary sich nicht mit Ausreden abspeisen lassen würde. Ehe sie sich entscheiden konnte, was sie sagen wollte, stürzte Cathleen auf Mary zu, umklammerte sie mit beiden Händen und schüttelte sie hin und her.
    »Mary, du mußt mir glauben, ich wollte das nicht!« rief sie. »Ich wollte ihn nicht töten!«
    Mary roch den Branntwein, den Cathleens Atem verströmte.
Mylady war nicht ganz nüchtern, aber offenbar ließ der Schock jede benebelnde Wirkung verfliegen. Sie war außer sich vor Schreck und sie wußte nicht, daß Mary durch die gespenstische Szenerie des düsteren Zimmers nicht allzu sehr erschüttert war, sondern von einem Gefühl der Erleichterung ergriffen wurde. Sie konnte nicht viel mehr denken als: Er ist tot. Cavendor ist tot, und nie wieder wird er irgend jemandem etwas antun können!
    »Er kam in mein Zimmer«, fuhr Cathleen atemlos fort, »genau wie neulich, weißt du. Er kam von einem Fest, betrunken und zornig, und ich hatte solche Angst, daß er ... ich hätte es nicht noch einmal ausgehalten! Ich wußte kaum noch, was ich tat. Ich hatte eine Flasche mit Branntwein in der Hand und ehe ich richtig nachdachte, da war schon, da hatte ich ... Sie schauderte und verbarg das Gesicht in beiden Händen.
    Anne richtete sich gerade auf. »Nun weißt du es, Mary«, sagte sie, »es war natürlich Notwehr, aber ich fürchte, ein Gericht würde das anders sehen. Es wäre daher besser...« Sie zögerte etwas, dann wurde ihre Stimme sehr eindringlich. »Es wäre daher besser, wenn niemand jemals erführe, was geschehen ist!«
    »Oh, ich hatte auch nicht vor, es jemandem zu erzählen«, erwiderte Mary, die begriff, daß Annes letzter Satz einzig ihr galt, »ich selbst finde...« Sie unterbrach sich, aber Anne erriet, was sie sagen wollte.
    »Ich weiß nicht, wie du zu Lord Cavendor gestanden hast«, meinte sie zweifelnd.
    Mary lächelte. »Nicht wie Sie denken, Madam«, antwortete sie, »gewiß nicht so, wie Sie denken.«
    »Was redet ihr denn?« rief Cathleen. »Tut doch lieber etwas! Bald ist es Tag und man wird ihn hier finden!«
    »Es dauert noch Stunden, bis der Morgen kommt. Wir müssen überlegen, wo wir ihn hinbringen.« Anne hatte sich unwillkürlich an Mary gewandt, als sei sie sich bewußt, daß von Cathleen keine Hilfe zu erwarten war. Mary wirkte ruhig und gelassen. Erstaunt bemerkte Anne, daß eine fühlbare Sicherheit von dem jungen Mädchen ausging. Aus Marys Augen sprachen Nachdenklichkeit und Konzentration. Sie überlegte, wo man den toten Lord hinbringen
könnte, und sie tat das so ernsthaft, als sei sie mitschuldig an der Tat. Ein wenig fühlte sie sich auch so, was an ihrer Erleichterung liegen mochte. Zudem durchflutete sie ein Gefühl des Triumphes. Innerhalb weniger Momente waren sie, Cathleen und Anne Verbündete geworden, Komplizen, die aufeinander angewiesen waren. Sie spürte, wie die Mauern ständischer Unterschiede Risse bekamen.
    »Er verkehrte viel am Südufer«, sagte sie, »wenn man ihn dort hinbringt und irgendwo niederlegt, wird es jeder für einen Raubüberfall halten.«
    »Aber wie schaffen wir ihn dorthin?« fragte Anne. »Er ist riesengroß und schwer, wir können ihn nicht tragen.«
    »Das wäre auch zu auffällig. Nein, wir müssen ihn in einen Karren legen und eine Decke über ihn breiten. Wir sehen dann aus wie zwei Marktfrauen, die mit einer Ware unterwegs sind.«
    »Mitten in der Nacht?«
    » London ist in der Nacht keineswegs ausgestorben«, sagte Mary, und Anne zog die Augenbrauen hoch.
    »Du kennst dich aber gut aus«, meinte sie. Cathleen hatte sich

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