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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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kühl, »sie erinnert uns vorsichtig daran, daß sie von allem, was geschehen ist, weiß, und daß wir in Zukunft immer ein wenig... Rücksicht auf sie zu nehmen haben.«
    »Das wollte ich nicht sagen«, fuhr Mary auf, »ich bin keine Erpresserin, Miss Brisbane. Niemand muß auf mich Rücksicht nehmen !«
    »Immerhin hat Mary uns sehr geholfen«, sagte Cathleen. Sie blickte schaudernd auf die Stelle, an der Cavendor gelegen hatte. » Ohne sie ... läge er vielleicht immer noch hier. Mary, sei sicher, ich vergesse dir deine Hilfe nie. Solange du möchtest, kannst du bei Miss Brisbane und mir bleiben!«

    »Lebenslange Freundschaft«, sagte Anne spöttisch, »wir sind Komplizinnen und nichts eint so sehr wie gemeinsam begangene Verbrechen. Sind wir uns einig darüber, daß keine, niemand von uns«, sie sah beschwörend in die Runde, »jemals einen Ton verlauten läßt darüber, was hier geschehen ist?«
    »Niemals«, sagte Mary, und Cathleen nickte.
    »Gut, dann laßt uns überlegen, was jetzt geschieht. Irgendwann morgen wird jemand kommen und uns mitteilen, daß Lord Cavendor tot am Ufer der Themse gefunden wurde.«
    »Es ist so grauenhaft«, flüsterte Cathleen, »ich werde es nicht aushalten. «
    »In dieser Lage wird es jeder verstehen, wenn Sie zusammenbrechen. Es ist sogar gut, wenn Sie die Fassung verlieren.«
    »Du hast recht, Anne. Aber ich werde hier nicht mehr leben können. Nicht in einem Haus, in dem so Furchtbares geschehen ist.«
    »Wollen Sie nach Fernhill zurück?«
    Mary erschrak. Daran hatte sie nicht gedacht. Von allen Dingen der Welt hatte sie am wenigsten Lust, nach Shadow’s Eyes zurückzukehren – fast ein Jahr, ehe Frederic kam. Sie sah Cathleen ängstlich an, aber die schüttelte den Kopf.
    »Ich möchte meine Familie nicht wiedersehen. Sie haben mir so unvorstellbar Schreckliches angetan, als sie mich mit Cavendor vermählten, solange ich lebe, werde ich es ihnen nicht verzeihen können. Anne«, sie fing wieder an zu weinen, »du bist jetzt meine Familie. Das einzige, was ich noch habe. Sag du, wohin wir gehen wollen! «
    Anne lächelte, zufrieden und entspannt wie eine Katze, die gestreichelt wird.
    »Cavendor besaß genug Schlösser auf dem Land«, sagte sie, »die von dieser Stunde an Ihnen gehören, Cathleen. Dort können wir leben – in Somerset oder Essex, in Suffolk oder Lincolnshire. Wo wir wollen. Aber bevor wir das planen, sollten wir vielleicht doch noch ein wenig schlafen.«
    »Ich kann nicht schlafen! Oh, bitte bleibt bei mir, alle beide!«
    Cathleens Stimme klang flehend.
    Anne griff beruhigend ihre Hand. »Keine Angst, ich bleibe die
ganze Nacht, wenn Sie wollen. « Sie strich Cathleen wieder und wieder über die Haare und sprach mit leiser Stimme auf sie ein. Langsam ließ das Zittern in Cathleen nach, ihr Atem ging gleichmäßiger. Mary konnte nicht verstehen, was geredet wurde, aber sie versuchte auch gar nicht zuzuhören. Sie stand auf, trat ans Fenster und schob die dicken, samtenen Vorhänge zur Seite. Sie preßte ihr Gesicht gegen die kleinen, runden, bleigefaßten Scheiben, spürte einen kalten Luftzug. Es roch nach Herbst und Nebel. Und sie merkte, wie das erste hilflose Erschrecken von ihr abglitt, mit dem sie gedacht hatte: O nein, sie will fort von London! Fort von meinem London!
    Auf einmal stieg eine Sehnsucht in ihr auf, von der sie gar nicht gewußt hatte, daß sie in ihr war. Das Bild eines Schlosses trat vor ihre Augen, graues Gestein, von Efeu und wildem Wein überwachsen, und dann ein Park, grüner Rasen mit herbstlich gelben Blättern bedeckt, alte, knorrige Obstbäume, denen der tiefsüße Geruch überreifer Mirabellen entströmte. Sie sah Kornfelder, leise wogend im Sommer unter blauem Himmel, und kahl bevor der Winter kam, vom Nebel verhangen und überflogen von schwarzen, schreienden Krähen. Inbrünstig sehnte sie sich nach dem Rascheln welken Laubes unter den Füßen, nach kaltem, salzigem Wind über endlosen Wiesen, nach dem Duft modriger Rinde und brauner Pilze in der Erde. Sie dachte an Shadow’s Eyes zurück, an den Weidenbaum und die vielen klaren, sprudelnden Bäche zwischen den Hügeln. Sie begriff, daß ihre Liebe zur Erde, zu Seen, Himmel und Bäumen nie verloren gegangen war. London war das Ziel ihrer Träume gewesen, aber jetzt fühlte sie sich müde und leer und wollte fort. Mit Grauen dachte sie an Cavendor, der tot am Themseufer lag, an den Giftmischer Will Shannon, an den zwielichtigen Nicolas de Maurois. Ein bitterer Geschmack

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