Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
Seuche, an der deine Mutter krepiert ist, und die ganze dreckige Bande in diesem Haus! Hier, willst du sehen? « Er streckte seine Zunge heraus, die von einem dicken, gelblichen Belag überzogen war, dessen Spitzen am Rand blutig ausliefen. »Sieht so ein gesunder Mann aus?«
Mary wich zurück.
»Ich muß jetzt wirklich gehen«, sagte sie mit zittriger Stimme.
Ambrose erhob sich schwankend, griff nach einem steinernen Bierkrug und schleuderte ihn quer durch die Küche, um Haaresbreite an Marys Kopf vorbei. »Du bleibst, du dreckige Schlampe!« brüllte er. »Du bleibst, oder bei Gott und allen Teufeln, ich werde dich verfluchen, daß du nach deinem Tod in der finstersten Hölle braten mußt! Hast du nicht gehört, du bleibst!«
»Ich bleibe ja in Shadow’s Eyes. Ich kann jeden Tag nach dir sehen. «
»Du weißt genau, daß das nicht reicht! Du bleibst hier in diesem Haus. Deine Mutter hat dich auch Tag und Nacht gebraucht, und mir wird es auch so gehen! Heute abend kann ich schon nicht mehr auf allen vieren gehen! Du bleibst! Ich will nicht sterben!«
»Nenne mir einen einzigen Grund, weshalb ich etwas für dich tun sollte«, entgegnete Mary beherrscht.
»Du wirst mich nicht im Stich lassen!«
»Und warum nicht?«
Ambrose sah sie fassungslos an. »Ich krepiere elend, wenn du gehst. Und ich will noch nicht sterben, verdammt noch mal, ich will nicht!« Er war weiß bis in die Lippen geworden und zitterte.
Edward betrachtete ihn gleichmütig, dann wandte er sich an Mary. »Das wirst du kaum mit deinem sauberen Gewissen vereinbaren können, was Mary?«
»Vielleicht kann ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, für einen Mann wie ihn zu sorgen«, entgegnete Mary, verließ die Küche und warf die Tür hinter sich zu. Draußen im Gang schlug sie vor Wut mit der Faust gegen die Wand. Dieser alte, dreckige, versoffene Kerl, wäre er nicht ihr Vater, sie würde ihn im Schmutz der Gosse verrecken lassen.
»Ich werde natürlich bleiben«, sagte sie halblaut, »und wenn ich viel Glück habe, dann stecke ich mich jetzt auch an. Gibt es irgendwo noch eine dümmere Person als mich? Keinen Menschen auf der Welt hasse ich wie ihn, aber die größten Opfer bringe ich ihm.«
Sie verließ das Haus, lief durch die Gassen von Shadow’s Eyes, hinaus in die Wiesen und Felder. Es war ein seltsamer, wilder, verzauberter Frühsommertag, die Sonne schien zwischen schweren, violetten Regenwolken hindurch, die Luft war stürmisch und golden, und das Gras am Wegesrand bog sich hinab. Mary dachte nicht nach, welche Richtung sie einschlug, aber es verwunderte sie nicht, daß sie, als sie endlich aus tiefen Gedanken auftauchte und sich umblickte, auf dem Hügel stand, zu dessen Füßen Marmalon lag. Sie betrachtete das vertraute Bild, den verrußten Schornstein des mit Lehm vermauerten Holzhauses und die schiefen Wände des baufälligen Ziegenstalles, die Pfützen auf dem Hof zwischen Brennesseln und Disteln und den ungepflegten, zotteligen Hund, der mit der Nase im Dreck wühlte. Es gab ihr einen Stich, zu sehen, wie ärmlich das Anwesen wirkte. Bruce Belville hatte sein ganzes Geld für Frederics Schule hergegeben, zudem hohe Abgaben zahlen müssen. Die letzten Jahre konnten kaum leicht für ihn gewesen sein. Aber die Weide stand noch, schwer, alt und unverrückbar wie stets, der Wind schlug ihre Zweige gegeneinander. Davor floß der Bach, und an seinen Ufern wuchsen bunte Blumen. Mary lächelte. Sie raffte ihre Röcke und eilte den Hügel hinab, lief über die Brücke, die zum Hoftor hinführte, und blieb außer Atem stehen.
»Frederic! Antworte doch!«
Nichts rührte sich im Haus. Aus dem Schornstein stieg dünner
Rauch, aber hinter den Fenstern blieb alles still. Mary betrat den Hof. Der Hund knurrte leise, aber er erinnerte sich wohl an sie, denn er ließ sie vorbeigehen. Mary balancierte vorsichtig um die Pfützen herum. Wo konnte Frederic denn nur sein? Sie spähte in einen Stall, aber dort liefen nur ein paar Hühner herum, und eine Kuh sah ihr sanft kauend entgegen. Sie seufzte. Gerade heute hätte sie gern mit jemandem gesprochen, aber natürlich, Frederic war nie da, wenn sie ihn brauchte! Enttäuscht wollte sie wieder gehen, da vernahm sie aus der Scheune ein Geräusch. Sie wandte sich um.
»Frederic! Du bist ja doch da!« Sie eilte in die Scheune und sah sich um. Im düsteren Licht des dunklen Raumes konnte sie nicht sofort etwas erkennen, aber dann schälten die Umrisse aller Gegenstände sich aus der
Weitere Kostenlose Bücher