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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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mein Leben eingreifen sollen. In unser Leben!«
    Frederic nahm ihren Arm. »Komm, Mary«, sagte er, »ich bringe dich nach Hause. Du holst dir noch eine Erkältung hier in dem Regen. «
    »Das ist mir gleich!«
    »Das ist es nicht. Du siehst elend genug aus!«
    Sie verließen den Friedhof und machten sich auf den Weg zum Armenhaus. Die Gassen lagen wie ausgestorben, in den Rinnsteinen gluckerte das Regenwasser. Marys schwarzes Kleid klebte als formloser schwarzer Fetzen an ihr, aus ihren Haaren fielen ihr Tropfen ins Gesicht. Es war jetzt ganz dunkel, und nur vor manchen Häusern brannten Lichter.
    Mary betrachtete Frederics schmales Gesicht im Schein einer Laterne. Er wirkte so verstört. Hastig sagte sie: »Es ist doch ganz unnötig, darüber zu reden. Wir heiraten und alles, was dann kommt, werden wir schon aushalten. Wir sind doch dann zusammen!«
    Frederic schwieg.
    Angstvoll fügte Mary hinzu: »Denkst du nicht auch so?«
    »Mary, ich weiß nicht, was ich denke. Es ist alles so viel schwieriger geworden. Wir sind keine Kinder mehr, die vor jedem Kummer in den Schatten eines Weidenbaumes fliehen und dort Trost finden. Das Leben ist keine Aneinanderreihung warmer Sommertage mehr, von denen einer sorglos und sicher auf den nächsten folgt. Wir sind jetzt erwachsen!«
    Der Ausdruck seiner dunklen Augen war bekümmert. In Mary regte sich Mitleid, aber auch leiser Ärger. Kam Frederic denn wirklich erst heute darauf, daß das Leben kein sorgloses Spiel war, daß die tiefen Zweige eines Weidenbaumes keine ewige Sicherheit bedeuteten?
    Du Narr, dachte sie erschöpft, das habe ich aber immer gewußt! Deine Jugend war sanft und schön, meine nicht. Und jetzt stehst du ganz erschüttert da, schaust dir das Leben an und kannst es nicht fassen!
    Sie wollte nicht mit ihm streiten. Sie hatte das Gefühl, daß sie
beide zu müde dazu waren. Als sie vor dem Armenhaus ankamen, lächelte sie ihn an.
    »Gute Nacht, Frederic«, sagte sie, »es ist so schön, dich wiederzusehen. Vielleicht waren wir nur beide nicht so ganz darauf gefaßt. Ich komme in den nächsten Tagen nach Marmalon hinaus, wenn es dir recht ist. Ich kann dir bei der Pflege deines Vaters helfen.«
    »Besser nicht. Du setzt dich sonst nur wieder der Ansteckungsgefahr aus. Aber bald sehen wir uns wieder. Gute Nacht, Mary!«
    Unwillkürlich hob sie das Gesicht, weil sie sicher war, er werde sie küssen. Aber er nickte ihr nur noch einmal zu, ehe er sich zum Gehen wandte. Sie blickte ihm überrascht nach.
    »Na, dann eben nicht«, murmelte sie. Langsam öffnete sie die Haustür. Wie sie dieses Haus haßte! Jetzt, da ihre Mutter tot war, schien es ihr so gänzlich sinnlos, dort noch zu leben. Sie beschloß, am nächsten Tag ins Wirtshaus Oakwood House überzusiedeln. Sie hatte immer noch Geld von Lord Cavendor übrig. Und dann würde sie ohnehin bald in Marmalon leben.
     
    Mary kam am nächsten Morgen sehr unausgeschlafen die Treppe in die Küche hinunter. Sie hatte die ganze Nacht wachgelegen und an Lettice denken müssen. Das Gesicht, die Stimme, der Atem ihrer Mutter waren noch in diesem Haus gefangen, und bedrängten sie. Die gleiche Beklemmung, wie sie sie als Kind gespürt hatte, legte sich über sie.
    Sie trat in die Küche, wo Ambrose und Edward saßen und verkündete: »Ich glaube, daß es hier nichts mehr zu tun gibt. Ich werde noch heute ins Oakwood House umziehen.«
    Ambrose blickte sie nicht an. Er hatte beide Arme auf die Tischplatte gelegt und sein Gesicht darin vergraben. Edward starrte Mary an. »Vater ist krank«, sagte er unbeweglich.
    »Was?«
    »Er fühlt sich nicht wohl. Siehst du doch, oder?«
    »Es ist wegen Mutter, nicht wahr, Vater?«
    Ambrose hob matt den Kopf. Er hatte eine graue Gesichtsfarbe, und seine Augen wirkten noch trüber als sonst. »Wie meinst du das, hä? Wegen Mutter?« fragte er lauernd.

    Mary verkrampfte ihre Hände ineinander. »Ich meine, es ist ganz natürlich, daß du dich jetzt schlecht fühlst«, erklärte sie, »erst gestern haben wir sie beerdigt und...« Sie wußte nicht weiter. Eine Weile blieben sie stumm und schraken erst zusammen, als dumpf und schwer die Kirchenglocken durch den Morgennebel klangen.
    »Die Sterbeglocken«, sagte Edward. »Wieder einer. Die Seuche ist noch nicht vorbei.«
    »Ich gehe jetzt«, sagte Mary und wollte zur Tür. Ambrose schlug mit der Faust auf den Tisch, daß das Geschirr schepperte.
    »Verdammt«, schrie er, »willst du es nicht begreifen, du Hexe? Ich habe die gottverfluchte

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