Die Sternenkrone
Höhenflüge bereits in der Tasche. Du bist mit Jungs aus solchen Kreisen verkehrt, hast sie mit deinen Reizen geblendet.«
Sie sitzt immer noch reglos da. Plötzlich sieht er, daß sie schwankt. Ihr Gesicht ist kreidebleich.
»Immer langsam, Mädchen! So – langsam hinlegen! Du befindest dich in einer Art Schockzustand. Hier ...« Er sieht eine Karaffe. »Trink einen Schluck Wasser!«
Sie läßt seine Hilfe völlig passiv über sich ergehen. Dann, als sie bemerkt, daß er den Brief immer noch in der Hand hält, entwindet sie ihm den Bogen und will ihn zerreißen.
Aber er ist schneller. »Nein, Baby, so nicht! Die Nachricht muß wichtig sein, sonst hätten wir sie wohl nicht hinterlassen. Du bleibst jetzt ganz still liegen, und ich lese dir den Rest vor. Okay?«
Sie zuckt die Achseln. Allmählich kommt wieder Farbe in ihre Wangen.
»Also schön: >... seit fünfunddreißig Jahren verheiratete Das müßte schätzungsweise zwanzig Jahre in der Zukunft sein. >Aber das Wichtige ist, daß wir uns in all diesen Jahren innig geliebt haben. Tief und innig und mit jedem Jahr noch ein Stück mehr. Eine Liebe, von der Ihr nie etwas geahnt hattet. Wir haben sie entdeckt. Wir glauben, es gibt nur wenige Menschen, die eine solche Beziehung erleben durften.<«
Er sieht sie forschend an. Sie scheint die Worte aufzunehmen, mustert ihn verwirrt.
»>Euer Zusammenleben begann aus eher zweckmäßigen Erwägungen während der sogenannten Großen James-Wirtschaftskrise – obwohl der arme alte Präsident James wirklich nichts mit dem Debakel zu tun hatte. Angeblich war sie weit schlimmer als die Depression zu Beginn der Dreißigerjahre. Teilweise aufgrund der Ausschreitungen – aber das werdet Ihr später selbst sehen. Di hatte ihren Job verloren, während Don seine Stelle beim Pharmariesen TCK behielt. (Don, Du erfährst auf einem getrennten Blatt mehr über Deine Arbeit; im Moment hast Du einen Monat bezahlten Urlaub.) Jedenfalls gabelte er sie eines Tages von der Straße auf und nahm sie mit heim. Es war alles andere als leicht, zwei Leute von seinem Gehalt zu ernähren, aber Ihr habt es irgendwie geschafft. Und später verschaffte er Di einen Laborjob bei TCK.
Nachdem sich die Lage etwas gebessert hatte, entdeckten wir, daß sich zwischen uns echte Gefühle entwickelt hatten – und von da an waren wir kaum einmal länger als zwei, drei Tage voneinander getrennt. Unsere Heirat dagegen erfolgte aus rein praktischen Gründen; sie erleichterte uns den Einzug in diese Enklave.
Ihr seid übrigens kinderlos. Di hat aufgrund einer früheren Erkrankung undurchgängige Eileiter. Wir entschieden uns nach reiflicher Überlegung gegeneine Adoption und haben den Entschluß, allein zu bleiben, nie bereut.
Di war in diversen technischen Jobs und Arztpraxen beschäftigt und hat vor fünf Jahren zu arbeiten aufgehört. Sie hatte großen Spaß an der Arbeit und nahm an einer Reihe von Weiterbildungskursen teil. Don ist Mediziner, praktizierte aber nur kurze Zeit als Arzt, ehe er eine Stelle in den biochemischen Forschungslabors von TCK erhielt. Heute hat er einen Beratervertrag bei der Firma und geht nur noch einen Tag pro Woche in sein Büro.
Wir sind mittlerweile alt, sehr alt. Dianes Augen werden immer schlechter, und Don ist eine Karikatur von einem Mann. Wir haben uns seit vielen, vielen Jahren auf diesen Monat des Jungseins gefreut – mehr, als Ihr Euch vermutlich vorstellen könnt. Versucht das Beste daraus zu machen. Vielleicht empfindet Ihr im Moment keine große Begeisterung füreinander – Di erinnert sich noch schwach, wie arrogant sie sich zunächst einmal benahm. Don litt nämlich an einer scheußlichen Akne und war alles andere als ein umschwärmter Frauenheld. Fest steht, daß wir zwei starke Gegensätze waren – und wohl auch immer bleiben werden. Aber es hat sich auch gezeigt, daß wir uns gut ergänzen, und wir haben gemeinsam eine Menge durchgestanden. Ihr werdet Revolten und Hunger erleben, Ihr werdet verzweifelt sein, aber Ihr werdet Euch gegenseitig Mut geben und es schaffen.(Ihr müßt unbedingt Hawkins' Buch zur Gegenwartsgeschichte lesen, das wir Euch auf den Küchentisch gelegt haben!) Außerdem verblaßten unsere Unterschiede stets im Vergleich zu der Liebe und Treue, die uns verband. Mittlerweile sind wir fast zu einer Person zusammengeschweißt. Keiner von uns könnte einen Moment lang glücklich sein, wenn der andere Kummer hätte, oder völlig unglücklich sein, wenn es dem anderen gut ginge. Das ist eines
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