Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
Vom Netzwerk:
Sichtfenster frei, durch das man Reihe um Reihe Kinderbettchen sieht. »Hier sind Papierschuhe. Wenn Sie so freundlich sein würden ...«
    Nachdem das Komitee die Schuhe angezogen hat, schlurft es zu dem Sichtfenster, und Mr. George sagt trocken: »Der Bursche dort hinten mit der roten Kappe und dem blutigen Laken sieht mir nicht sehr steril aus.«
    »Nein, wirklich nicht. Ich werde mich sofort darum kümmern. Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick!«
    Und sie läßt das Komitee vor dem Sichtfenster stehen. Es sieht, wie sich Doktor Gridley und zwei seiner Kollegen über die Bettchen in der Nähe des Fensters beugen. Die Temperatur der Babys wird gemessen. Mrs. Pillbee wendet sich ab. Sie ist leicht grün um die Nasenspitze. Etwas weiter entfernt hat Oberschwester Tilley den Eindringling inzwischen aufgehalten, einen Mann in Arbeitskleidung, der ein großes blutdurchtränktes Tuch wie einen Umhang um sich gewickelt hat. Er umklammert krampfhaft seinen Unterarm. Doktor Gridley geht zu Oberschwester Tilley und unterhält sich mit ihr. Er deutet auf die Füße des Mannes, und das Komitee sieht, daß der Mann in Arbeitssocken dasteht. Einen Moment später kommt Oberschwester Tilley lächelnd wieder aus dem hinteren Raum zurück.
    »Ein Notfall«, erklärt sie. »Lebensgefahr. Einer der Arbeiter aus der Fabrik nebenan ist mit der Hand unter ein Hackmesser gekommen und hat sie sich fast abgetrennt. Es hat natürlich furchtbar geblutet. Man hat einen Notverband angelegt und ihn durch den Hintereingang hierhergebracht, weil man wußte, daß sich hier ein Arzt befindet. Er dachte sogar noch daran, sich die Schuhe auszuziehen, bevor er hereinkam, der arme Kerl. Er hat große Aussichten, die Finger wieder bewegen zu können, weil der Doktor ihn so rasch behandeln konnte. Wenn sie auf die Ambulanz gewartet hätten, wäre der Mann wahrscheinlich verblutet. Das ist natürlich eine Ausnahme, Mr. George. Normalerweise passiert so etwas hier nicht. Machen wir also weiter! Gibt es noch etwas, wofür Sie sich interessieren?«
    »Da drüben liegen eine Menge farbiger Kinder«, bemerkt Mr. George, dem nichts entgeht. »Befinden die sich in Quarantäne?«
    »Um Himmels willen, nein. Purer Zufall. Sehen Sie, da sind auch ein paar weiße darunter.«
    Alle Augen folgen Mr. Georges Blick zur rechten Seite des großen Raumes, wo man eine Menge schwarzer Köpfchen in den Betten sieht, viele von ihnen mit farbigen Schleifen. In der hinteren Wand des Raums ist ein offener Bereich, der in eine Biegung mündet, vielleicht der Durchgang zu einer medizinischen Abteilung. Wie zu einer Untersuchung aufgereiht stehen die Betten vor dieser Öffnung.
    Ein Krankenpfleger mit einem Tablett kleiner Spritzen wartet daneben. »Was hat er vor?« will Mrs. Pillbee wissen. »Impfungen?«
    »Ich glaube nicht. Impfungen werden einzeln durchgeführt. Möglicherweise die abendliche Spritze. Vitamine, ein leichtes Schlafmittel für Säuglinge. Wir haben immer Angst, daß ein unruhiges Baby die anderen vom Einschlafen abhält und daß alle zu weinen beginnen.« Sie blickt auf ihre Armbanduhr. »Ja, das wird's wohl sein – er bringt sie gerade zum Einschlafen.«
    »Was bedeutet >TK    »>TK< ... Augenblick, gleich hab ich's! >BK< heißt >Brustkinder<, >FA< bedeutet >Frei zur Adoption< und ein orangenes Schild heißt, daß wir überhaupt keine Angaben besitzen, weil die Mutter das Kind einfachabgeliefert hat und weggerannt ist. >TK< ... das muß wohl irgend etwas mit Impfungen zu tun haben.«
    »Gibt es denn tatsächlich farbige Familien, die ein Kind adoptieren wollen?« fragt eine der Damen, die bis jetzt geschwiegen hat.
    »Sieht ganz so aus!« erklärt Oberschwester Tilley lachend. »Es sei denn, sie hätten es gerade alle auf einen Schlag aufgegeben. Wir sind übrigens strikt dagegen, daß Leute Kinder einer anderen Rasse adoptieren«, fügt sie ernst hinzu. »Das ist nicht gut für das Kind. Die farbigen Familien, die ein Kind adoptieren, haben übrigens meistens bereits schon zwei, drei, manchmal sogar vier eigene Kinder. Bei den Weißen ist es das typische kinderlos gebliebene Ehepaar, das zu uns kommt. Keine Fragen mehr? Nein?«
    Mäntel und Schals werden geholt.
    »Sie könnten natürlich noch hinüber zur Annahme gehen, aber ich rate davon ab. Hier erleben Sie das glückliche Ende einiger tragischer Geschichten, da drüben werden Sie mit traurigen deprimierenden Szenen ohne Ende

Weitere Kostenlose Bücher