Die Sternenkrone
rotgoldene und ihres eine gelbe«, sagt Neola. »Glauben Sie, daß die Schwestern die Schleifen entfernen?«
Die junge Frau seufzt. »Ja. Das ist ein weiteres Problem. Sie machen die Schleifen bestimmt abends ab. Ich glaube, sie lassen sie nur bei den Babies dran, die sie noch am selben Tag zur Adoption freigeben. Also ist der erste Tag der einzige, wo es wirklich eine echte Chance gibt. Danach ist es aussichtslos, es sei denn, Ihr kommt nahe genug an das Baby heran, um sein Gesicht zu erkennen. Ich glaube, meine Vorahnung taugt nicht viel – ein letzter Versuch, mehr nicht.«
Eine Weile ist es still in dem warmen Auto. Einige weitere Ehepaare kommen mit Körbchen heraus, aber keines der Babies trägt eine Schleife.
»Tja, hier bekommt man eine Menge trauriger Geschichten zu hören«, meint die Frau nachdenklich.
»Das stimmt.«
»Habt Ihr auch was Schlimmes erlebt? Entschuldigt meine Frage, aber ich bin sowas wie 'ne Journalistin. Ich werde einen Artikel über das hier schreiben, verlaßt euch drauf.«
»Eigentlich nicht«, erwidert Maylene bedrückt. »Ich hatte bloß kein Geld, um mein Baby zu ernähren. Ich bin beim K-Mart-Einkaufszentrum in der Ausbildung, und sie behalten fast das ganze Gehalt ein. Für die Ausbildungskosten.«
»Mir geht's genauso«, sagt Neola. »Ich bin bei einer Fluggesellschaft, am Reservierungsterminal. Ich hab gehört, daß sie einen feuern, wenn man mit der Ausbildung fertig ist und endlich richtig gut verdienen würde. Sie stellen einfach wieder Neue ein und lernen sie an. Das ist billiger, weil die Neuen sich mordsmäßig anstrengen, um den Job zu behalten und deshalb fast ebenso gut arbeiten wie die Ausgebildeten.«
»Wie reizend!« Die Stimme der Reporterin ist beißend. Sie zieht einen Notizblock heraus und fragt nach Zahlen und Fakten. Maylene merkt, daß sie dabei keinen Augenblick lang die Tür des Zentrums aus den Augen läßt.
»Warum mußten Sie denn Ihr Baby zur Adoption freigeben?« fragt sie schüchtern, als die fremde Frau ihren Notizblock wegsteckt.
»Ich mußte nicht. Ich wollte das Kind nicht behalten, weil ich seinen verdammten Vater verabscheue. Dabei dachte ich früher, er hätte mich wirklich gern. Ich dachte, uns würde eine richtig tiefe, echte Freundschaft verbinden, die hält. Heiraten war mir nicht so wichtig. Und er ist einer von den ganz Engagierten.« Sie bemerkt die verständnislosen Gesichter der beiden Mädchen. »Naja – einer von denen, die den ganzen Tag über Emanzipation quatschen, sich für die Frauensache und das Gleichberechtigungsgesetz einsetzen. Denkste! Eines Nachmittag habe ich mich aus Versehen in ein Telefongespräch eingeschaltet. Er unterhielt sich mit einem seiner Kumpel. Na, da sind mir in kürzester Zeit die Augen aufgegangen. Sieh zu, daß deine Frauen immer in anderen Umständen sind, war nur einer seiner guten Ratschläge, immer ein bißchen schwanger. Beachtet die Mehrzahl – Frauen! Und es war nicht bloß so ein Machogeschwätz, es war sein Ernst. Tips fürs Leben, von Mann zu Mann. Jedenfalls ging ich nach Hause und heulte mir ein paar Nächte lang die Augen aus. Dann versuchte ich, eine Abtreibung zu bekommen – naja, die Prozedur kennt ihr ja selbst ...« Sie seufzt. »Ich hatte mir vorgestellt, daß wir das Kind irgendwie gemeinsam aufziehen könnten, er und ich. Ich erwartete ja nicht, daß er Hausarbeit macht, wir wohnten ja gar nicht zusammen. Ich hatte mir vorgestellt, daß er ... daß er einfach für uns da wäre, wenn wir ihn brauchten. Nun sieht's so aus, als hätte er überall in der Stadt Kinder, die er niemals gesehen hat. Der große Revolutionär! Ein bißchen schwanger!« Noch nie hat Maylene jemanden so bitter und eigenartig lachen hören.
»Oh!« sagen die beiden Mädchen wie aus einem Mund. Sie verstehen eigentlich nicht richtig, um was es geht, spüren aber den Schmerz der Fremden.
»Aber Sie hätten doch Ihr Baby behalten können«, sagt Maylene.
»Moment mal! Nicht mein Baby, sein Baby! Sein bißchen Schwangerschaft! Wißt Ihr, wie er das hinkriegt?
Er sticht mit der Stecknadel kleine Löcher in die Kondome. Und ich dachte, wie nett und überlegt es von ihm sei, daß er sie benutzt. Ich wollte die Pille nicht nehmen, weil der Arzt meinte, sie sei nicht gut für mein Herz. Löcher! Ich glaube, einmal hat er einem Mädchen sogar ein Loch ins Diaphragma gemacht. Oh, nein danke! Auf dieses Stecknadelbaby lege ich keinen Wert!«
Maylene kann die Reaktion der Fremden so gut wie überhaupt nicht
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