Die Sternenkrone
alten Frau. Biller kommt in den Sinn, daß sie und ihre Stadt noch vor ein paar Wochen unter der eisernen Knute der Guévaristas gestanden habe. Er spürt den neugierigen Blick auf sich und grinst breit, als er sagt: »Libertad!«
»Si! Si!« Ein Grinsen erhellt ihr Gesicht. Das Leben ist gut; gerade heute morgen hat sie ihre zwölfjährige Tochter für vierhundert Pesos an drei Yanquis verkauft, das sind ungefähr zwanzig Dollar.
Senator Biller zwingt die Regung in sich nieder, seinen Fahrer anzuweisen, daß er ihr beim Tragen der schweren Last hilft. (Sie haben es immer so gemacht, so leben sie nun mal.) Er wendet sich wieder dem Fotografieren der Stadt im Tal zu.
Vor ihnen zerstreut sich die Viehherde. Die Gesellschaft begibt sich wieder in die Wagen. In der Nebenstraße setzt sich der Bus ebenfalls in Bewegung.
»Dort – Krankenhaus!« bemerkt der Fahrer über die Schulter nach hinten und deutet armwedelnd auf ein großes Gebäude inmitten eines Gartens, das soeben einige Kilometer vor ihnen im Tal in Sicht gekommen ist.
Es handelte sich um jenes Krankenhaus, in dem der Soldat Donald Still vor gut zwei Wochen wieder ins Leben zurückgekehrt war. Das letzte, an das er sich erinnerte, war, daß er seinen Truppenführer brüllen hörte und dann mit einem unglaublichen Schmerz an der Innenseite des Schenkels zu Boden fiel. Er konnte sich auch daran erinnern, daß er gedacht hatte, der Pfad hinter dem Hügelkamm, auf dem sie sich voranbewegten, müsse eigentlich ein ideales Gelände für Minen sein, aber er war so kampfesdurstig, daß er keine Einwände erhob. Sie waren einem Haufen Gués dicht auf den Fersen, die direkt hinter dem höchsten Grat des Berges davonrannten und sich versteckten. Vor ihnen wurde der Baumbewuchs kahler. Don knackte sich noch eine KZ-Pille und freute sich schon darauf, ein paar gute Treffer zu landen.
Jetzt lag er flach auf dem Rücken, mit einem dick verpackten Bein, und fühlte sich schrecklich. Das Bett war mit Stahlstangen versehen. Über ihm fiel die Nachmittagssonne gedämpft durch schmuckvolle Fenster in einer hohen Kuppel. Um ihn herum herrschte überwiegend Stille, keine Schüsse, keine rennenden Schritte. Dies war kein Feldlazarett. Die Hubschrauber mußten ihn den ganzen weiten Weg bis zu diesem Ort gebracht haben, wo immer er sich auch befinden mochte. Er hatte das Gefühl, daß viel Zeit vergangen war, seit er hier eingetroffen war: Zeit voller Träume vom Kampf, Träume, in denen er schrie.
Sein Mund und seine Augen waren quälend trocken, sein Kopf tat weh, er fühlte sich innerlich schwach und zitternd, und sein Bein schmerzte entsetzlich. Automatisch wollte er nach einer Durchhalte-Pille greifen. Aber seine Pillenschachtel war nicht da. Er trug einen Krankenhausschlafanzug; keine Taschen, keine Pillen – nada.
»He! Hallo!«
Ein schwindelerregend hübsches Mädchengesicht tauchte verschwommen vor ihm auf. Doch nein, beim zweiten Hinsehen war es nicht mehr ganz so atemberaubend, nur noch ordentlich und sauber.
»Wo bin ich? Was ist mit meinem Bein los?«
Sie hielt einen Klemmblock mit einigen Bogen Papier vor sich. »Sie sind im Übergangs-Rehabilitations Zentrum Nummer Fünfzehn in San Izquierda. Ihr Bein ist in Ordnung; wenn morgen der Verband abkommt, werden Sie wieder laufen können. Sie haben Glück gehabt, Sie haben nur viel Blut verloren.« Sie lächelte bedeutungsvoll. »Großes Glück.«
»Ich brauche eine D-Pille.“
»Oh, oh!« Sie zog die Stirn kraus. »A-ls-o. Morgen fangen Sie mit dem Entzug an.«
»Aber jetzt ist noch heute!« Er versuchte, eine plötzliche Panik hinter einem Lächeln zu verstecken. »A-ls-o. Sie machen sich die Sache nur noch schwerer.“
»Aber es ist noch heute. Sie haben doch selbst gesagt ... Bitte!«
Ohne ein weiteres Wort ging sie weg und kam mit der wertvollen gelben Tablette zurück. Es gelang ihm, sie zwischen die Finger zu nehmen und trocken hinunterzuschlucken. Sie bedachte ihn unter Kopfschütteln mit einem »Thththth«.
»Mit dieser Drogengier müssen wir aufhören, Soldat«, sagte sie süßlich.
Unwillkürlich mußte er über sie grinsen, aber vielleicht lag es auch nur an der segensreichen Woge der Entspannung, die in einer Minute durch seine Adern fluten würde. »Genießen Sie es noch einmal«, empfahl sie und ging weg.
Er konnte Leute nicht ausstehen, die ihn >Soldat< nannten, aber es lag ihm fern, seine Versorgung aufs Spiel zu setzen. Die D-Pille fing an zu wirken, er spürte, wie ein erstes
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