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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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konnte er es gar nicht glauben. Luft! Freier Himmel! Er vergrub das Gesicht in einer fast verblühten großen roten Rose. Welch berauschender Duft, der Duft der Freiheit ...
    Zögernd, langsam ging er den Weg entlang. Ein zwei Meter siebzig hoher Maschendraht mit einem einfachen Stacheldraht als Krönung verlief neben ihm. Keine Stelle, über die er hätte klettern können. Der Zaun umschloß den Garten und ein Stück unbewirtschaftetes Land, in dem nur Bäume standen.
    In diesem Moment bekam er einen Anfall von Ruhr. Er arbeitete sich durch die Hecke des Gartens in eine kleine Gruppe von Pinien. Man hatte den Zaun darumherumgeführt. Den Grund dafür sah er gleich darauf – der kleine Wald war von einem schulterhohen Dornendickicht umgeben. Er kämpfte sich durch dieses hindurch bis zu einer kleinen Lichtung in der Mitte. Hier hielt er an, da ihn ein bekannter Geruch warnte. Er brauchte eine Weile, bis er die Quelle dafür entdeckte, unter einer Decke von Piniennadeln.
    Ohne Zweifel hatte sich der Trupp, der den Zaun angelegt hatte, nicht die Mühe gemacht, das Wäldchen zu untersuchen. Ein toter GI lag eingebettet in den Nadeln, seine M-30 neben der ausgestreckten Hand. Die Hand war fast bis zum Knochen verfault; der Körper war merkwürdig eingeschrumpelt und unter der Hülle des Kampfanzuges verwest. Er mußte beim letzten Angriff auf San Izquierda getötet worden sein. Aber Don verschwendete daran keinen Gedanken – mit einem erstickten Aufschrei warf er sich neben dem Toten zu Boden, und seine Hand fuhr gierig in die Tasche der steif gewordenen Jacke.
    Und – oh, du lieber Gott im Himmel! – es war da! Ungläubig zog er die kleine gelbe Schachtel heraus und öffnete sie mit krampfhaft beherrschten Fingern.
    Sie war ... voll! Oh, welch ein Schatz – er starrte auf die Reihen von D's, die Vertiefungen mit den KZ's, das Spalier der Tiefschlaf-Pillen. Hier, in seiner Hand! Vorsichtig, sehr vorsichtig nahm er eine D-Pille heraus und schloß die Schachtel wieder, bevor er sie schluckte. Welches unglaubliche Glück, das ihn gerade in dem Moment rettete, als seine Kraft endgültig zu versiegen drohte!
    Dann erinnerte ihn sein Körper wieder an sein Bedürfnis, und eilig ließ er die Hose herunter. Während er da so kauerte, stellte er fest, daß der Tote zum gleichen Zweck hergekommen war – die Hose des Kampfanzugs war heruntergezogen. Jemand hatte ihn verfolgt oder auf ihn gelauert; die unteren Teile der Leiche waren weggepustet, graue Stücke des Beckens stachen aus längst totem Fleisch heraus. Große, schmierige schwarze Pfützen, Matsch, so alt, daß sich die Fliegen kaum mehr dafür interessierten. Der Tod führte sein Werk in diesen Breitengraden schnell zu Ende.
    Aber er hatte ihm das unschätzbar kostbare Päckchen in seiner Hand gelassen, und das erste leichte Glühen stahl sich durch seine Adern.
    Wo sollte er es verstecken?
    Unter dem Beinverband. Dann erhob er sich und ging um sich spähend zurück auf den Weg, machte die Runde bis zur Tür. Unterwegs bemerkte er, daß der stabile, grobmaschige Zaun mehrere Tore hatte, die mit Ketten und Vorhängeschlössern versperrt waren.
    Er klopfte an die Glasscheibe, und Hans ließ ihn sofort herein und schloß hinter ihm wieder ab.
    »Das war ein wundervoller Spaziergang«, sagte er zu Hans in aufgeräumtem Plauderton. »Man fühlt sich gleich viel besser.«
    In seinem Zimmer dachte er erst einmal gründlich nach. Hier kam nicht alle fünfzehn Minuten jemand herein, aber man wußte nie, wann jemand den Kopf hereinsteckte. Schließlich nahm er die Pillen aus der Schachtel und versteckte je eine oder zwei zusammen, im Saum der Vorhänge, unter der Abdeckung der Steckdose, in einem Spalt an der Rückseite der Toilette und in anderen Winkeln. Er würde schon nicht vergessen, wo sie alle waren, er nicht! Zur Essenszeit ließ er die leere Schachtel unbemerkt in den Abfalleimer gleiten, der bei dem Tablettwagen stand.
    Das Essen an diesem Abend war ein strahlendes Ereignis. Die Schwäche war einer milden Müdigkeit gewichen, alle Schmerzen waren verschwunden; die D-Pille hatte die gleiche Wirkung auf ihn wie früher, bescherte ihm ein rosiges Glühen und eine Wachheit und vertrieb alle Probleme. Er unterhielt sich mit den Leuten, stellte Fragen und hörte aufmerksam ihren Antworten zu, er half sogar einem der Zombies von der Entzugsabteilung, sein Tablett zu finden. Der Mann grunzte ihn an und sah ihm aus der Nähe in die Augen. Don sah, daß die von den KZ's

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