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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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hast du dir aber einen netten Konkurrenten eingehandelt!«
    Bevor er fragen konnte, was genau der Hüter mit dieser Bemerkung meinte, war dieser schon verschwunden. Eine Sonate dröhnte, als habe Julen seinen Kopf direkt in das Klavier des Musikus gesteckt. Welch ein Abgang.
    »Pathétique!«, knurrte er und kehrte ins Hotelzimmer zurück. Gegen das »Zusammenbleiben«, wie Asher es vorgeschlagen hatte, war nichts einzuwenden. Dass er allerdings allein auf einer unbequemen Schlafstatt landete, traf nicht exakt seine Vorstellung einer netten Dreisamkeit. Immerhin, dieses Sofa war bequemer als die altertümliche Chaiselongue, auf der er zuletzt geruht hatte. Draußen ergab sich die Dunkelheit der Göttin des Tages und Julen spürte jeden Atemzug der ungleichen Schwestern, bis Nyx sich endlich geschlagen zurückzog. Sara, ein schöner Name!, dachte er müde. Irgendetwas hatte Estelle ihnen verschwiegen. Danach werde ich sie morgen fragen. Er schloss die Augen, dankbar dafür, dass der Sonnengott seine tödliche Hand auch heute vergeblich nach ihm ausstreckte.
    Genau in dieser Sekunde erwachte Estelle aus ihrem Schlaf. Eine tödliche Gefahr näherte sich. Ihr Puls galoppierte und ihr Herz überschlug sich fast bei dem Versuch, diesen Rhythmus weiter anzutreiben. Sie starrte in die Dunkelheit und lauschte dem beängstigenden Rauschen, unfähig zu entscheiden, ob es ihre Ohren waren, die verrückt spielten, oder eine geheime Macht, die von ihr Besitz ergriff. Sie wollte davonlaufen, entkommen, der Todesgefahr entfliehen und erwachte endlich in der besitzergreifenden Umarmung ihres nahezu leblosen Liebhabers. Die gefürchteten Visionen stellten sich nicht ein. Schlaftrunken stemmte sie sich auf und die Geister der Nacht flohen im Angesicht der herannahenden Morgenröte. Bereit, dem neuen Tag die Stirn zu bieten, schlich sie sich aus ihrem Bett unter die erfrischende Dusche, zog sich wenig später an und befand, dass ein kostenloses Frühstück dazu geschaffen war, es auch zu nutzen.
    »Guten Morgen!« Sara Anderson wirkte müde, als sie sich zu ihr setzte.
    »Hoffen wir, dass es einer wird!« Estelle war üblicherweise keine Pessimistin, aber sie ahnte, dass dieser Tag einige unangenehme Überraschungen bereithalten würde. Und es begann gleich damit, dass Sara ankündigte, abreisen zu wollen. Wer würde sich jetzt um ihre Sicherheit kümmern? Estelle ärgerte sich, weil sie Asher nicht danach gefragt hatte, ob ein Halbdämon wie dieser Urian auch tagsüber gefährlich war. Auf jeden Fall könnte er aber Sterbliche engagieren, die schmutzige Arbeit für ihn zu erledigen, überlegte sie und traf eine Entscheidung: »Darf ich Sie begleiten? Mein, ähm, Mann ist heute den ganzen Tag über beschäftigt und ich würde zu gerne die Zeit nutzen, um einige Einkäufe in London zu machen. Vielleicht können wir gemeinsam etwas unternehmen?« Sie wagte gar nicht zu hoffen, dass Sara auf ihren Vorschlag eingehen würde.
    Die junge Frau schien sich jedoch sehr über ihren Vorschlag zu freuen. »Eine wundervolle Idee! Ich sollte nur kurz etwas erledigen und habe den Nachmittag frei!«
    Estelle musste sich heute Morgen nicht besonders anstrengen, um zu erkennen, dass Sara sich nach einer Freundin sehnte, mit der sie Schaufensterbummel machen, den Tag im Museum verbringen oder einfach nur eine gute Tasse Tee trinken konnte. Estelles Auftauchen erschien ihr wie ein Geschenk des Himmels. Die Seele der jungen Frau fühlte sich vom Ballast einer einsamen Kindheit ganz schwer an. Sara war bei ihrer Mutter aufgewachsen, die hart arbeiten musste, um den Lebensunterhalt für sich und die kleine Tochter zu verdienen. Vom Vater bekamen sie nur Geld, wenn er selbst etwas übrig hatte, was nicht häufig vorkam. Trotzdem liebte sie ihn und hatte sich schon als Kind vorgenommen, später auch einmal Privatermittlerin zu werden. Sie träumte davon, mit ihm gemeinsam eine gut gehende Detektei zu führen. Das Mädchen war brillant, was ihr einige Stipendien verschaffte: erst für eine gute Schule und Uni, später sogar für ein Aufbaustudium in Cambridge. Dabei war sie aber immer eine Fremde geblieben. Sara galt als verschlossen und irgendwie anders, nicht wenige neideten ihr den Erfolg, einige aus so genanntem »gutem Hause« empfanden ihre offensichtliche Armut als störend. Bei Ausflügen besaß sie kein Geld für ein Eis, ging später nie mit den anderen Studenten ins Pub oder auf Partys, stattdessen saß sie daheim und lernte. Nicht einmal die

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