Die Sternseherin
können, deshalb bin ich heute noch einmal dorthin gegangen – und habe tatsächlich etwas gefunden.«
Julen war zu begierig zu erfahren, was sie entdeckt hatte, um Estelle wegen ihres Alleingangs zu tadeln. Es ist ja alles gut gegangen, beruhigte er sein Gewissen. Leichtsinnig war es aber doch, denn die Fee hatte ihre magischen Kräfte nicht genügend im Griff, um eine derartige Anstrengung, noch dazu in der Öffentlichkeit, alleine riskieren zu dürfen. Gespannt sah er sie an.
»In einem der Bücher war ein Hinweis, ich bin ganz sicher.«
»Was stand darin?«
»Ich habe es nicht gelesen.«
Julen schaute skeptisch. »Woher willst du dann wissen, ob sich darin Informationen über den Verbleib des Grimoire befinden?«
»Das kann ich nicht erklären. Es ist einfach so, nenn es Intuition.« Während sie das sagte, kam sie sich plötzlich albern vor. Wie sollte sie ihr spezielles Talent jemandem erklären, der kaum einen einigermaßen vernünftigen Schutzschild überwinden konnte, um sein Gegenüber zu lesen?
»Zu den Sternen – auf ehrliche Weise.«
Julen sah sie ratlos an. »Bitte?«
»Das war die Nachricht des Buches. Leider habe ich keine Ahnung, was das bedeuten soll.«
Er fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht und schüttelte den Kopf, doch unvermittelt begannen seine Augen zu leuchten. »Ich habe das schon einmal gehört!«
»Wirklich? Warte, ich hol mein Laptop, dann können wir im Internet nachsehen!« Estelle wollte schon aufspringen, doch er hielt sie zurück. »Dublin. Das ist das Motto der Universität von Dublin. Nicht viel, aber immerhin ein Anfang. Dort gibt es eine großartige Bibliothek, vielleicht finden wir einen weiteren Hinweis.«
Jetzt hielt sie nichts mehr auf ihrem Stuhl. »Wann geht der nächste Flieger?« Dann sah sie Julen an und begann zu lachen. »Wir brauchen gar kein Flugzeug, ich habe ja dich!«
»Langsam!« Doch es war deutlich, dass er ebenfalls aufgeregt war. »Die Reise durch die Zwischenwelt kostet eine Menge Kraft, besonders wenn ich jemanden mitnehme. Zu häufig darf ich das nicht machen.« Er blickte finster. »Dort lauern überall Gefahren.«
Tatsächlich reagierte die Zwischenwelt auf jeden der Durchreisenden, und seit er angefangen hatte, Estelle von einem Ort zum anderen zu transportieren, meinte er, so etwas wie Missbilligung zu spüren. Mit jedem Eintritt in diese Dimension präsentierte sie sich ihm feindseliger, ganz so, als habe er ein lebendiges Wesen verärgert. Und wer weiß, dachte er, vielleicht habe ich das sogar.
Estelle setzte sich wieder. Natürlich, ihre Schwester hatte ihr davon erzählt und hinzugefügt, dass selbst der mächtige Vampir Kieran diese Passage nur nutzte, wenn es ihm absolut notwendig erschien. Julen mochte ein Elf sein, und vielleicht galten für ihn andere Gesetze, aber sie war sofort bereit, zu glauben, dass er ein unnötiges Risiko in Kauf nahm, um einer Frau zu imponieren. Obwohl sie deshalb besorgt war, fühlte sie sich geschmeichelt. »Dann fliegen wir eben gleich morgen früh.« Dabei wedelte sie mit ihrer Kreditkarte. Hier war eine weitere willkommene Gelegenheit, den Vampir zu schröpfen, sie hatte schon lange keine größere Summe mehr ausgegeben.
Julen schenkte ihr ein lausbubenhaftes Lächeln, das Estelles Herz wie immer etwas schneller schlagen ließ. Dies wiederum schien er sehr wohl zu spüren, und es erfreute ihn offenbar so sehr, dass er aufsprang und sie umarmte. »Ich bin gleich zurück, du kannst schon mal packen!« Damit zog er sein Handy aus der Tasche und verschwand auf dem Balkon. Estelle hätte einiges dafür gegeben, zu hören, mit wem er telefonierte, aber alles Ohrenspitzen half nichts und so zog sie ihre Reisetasche aus dem Schrank und warf ihre schönste Wäsche hinein – man wusste ja nie, wofür das gut war –, griff nach kurzem Zögern noch nach einem Abendkleid und passenden Schuhen, bevor sie ins Bad lief und neben der Zahnbürste auch ihr neues Make-up und was ein Mädchen sonst noch brauchte zusammenraffte. Keine Sekunde zu früh erschien Julen wieder in der Wohnung. »Fertig? Es kann losgehen, unser Taxi ist schon unterwegs.«
Am Flughafen eilte er zum Schalter der irischen Fluggesellschaft. Estelle blieb mit dem Gepäck zurück und sah ihm nach. Sie konnte nicht widerstehen und ließ ihren Blick etwas länger auf seinem Hinterteil verharren. Ihr juckten die Finger, nicht so muskulös wie bei einem Tänzer, aber doch nett gerundet füllte es die Jeans perfekt aus und lud dazu ein,
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