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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Reise befände sich in den Papiertaschen, auf denen ein dezentes Designer-Logo prangte und die jetzt unbeachtet zu Boden glitten. Spätestens der Chauffeur-Service hätte sie eines Besseren belehren sollen.
    »Hihi!«, klang es vorsichtig in die Stille hinein und dann etwas kräftiger: »Ha!« Rücklings warf sie sich auf ein Bett, das breiter war, als es in der Länge maß, und fühlte gestärktes Linnen unter den Händen, unwillkürlich entstanden Bilder vor ihrem inneren Auge. Fee mit Mann. Mann mit Fee – wer war der Unbekannte? Und war er überhaupt »unbekannt«? Er fühlte sich vertraut an. Dieser Mann kannte sie, ihre intimsten Wünsche und – hier riss sie erstaunt die Augen auf und schaute an eine makellos gestrichene Decke – er kannte die geheimsten Stellen ihres Körpers!
    »Julen?«, fragte sie unsicher in die Dunkelheit. Doch keine irgendwie geartete Präsenz war zu spüren. Die Fantasie spielte ihr einen Streich.
    »Auch gut, dann amüsiere ich mich eben alleine!« Mit diesen Worten sprang sie auf, bestellte beim Zimmerservice einen kleinen Imbiss, holte sich einen Musiksender auf den riesigen Flachbildschirm und genoss es, gleichsam mitten im Song zu stehen. Die Anlage war phänomenal! Währenddessen gelang es ihr, die bereitgestellte Champagnerflasche zu entkorken – leider nicht, ohne Schaden anzurichten. In einem Schwall ergoss sich die Flüssigkeit auf den flauschigen Teppich unter ihren Füßen. Kritisch betrachtete sie die Flasche in ihrer Hand, aus der immer noch Blasen quollen. »Schaumwein!« Selten hatte Estelle sich so albern glücklich gefühlt. Sie war besoffen von dem Luxus rundherum und hatte doch noch keinen Schluck getrunken. Nach einer Besichtigungstour ins Bad entschied sie, dass die hiesigen Möglichkeiten keinesfalls ungenutzt bleiben durften. Sie nippte an ihrem Glas und stellte es behutsam auf dem breiten Beckenrand ab. Die Hähne waren schnell bis zum Anschlag aufgedreht. Sie entzündete dann die bereitstehenden Kerzen und beobachtete, wie Dampf und Wärme den Raum allmählich in eine tropische Grotte verwandelten. Nebenan sang ein melancholischer Sänger von ewiger Liebe, während Estelle sich in die duftende Landschaft aus Seifenblasen gleiten ließ. Noch ein Schluck und ihre Gedanken begannen zu fliegen.
    Die Fingerspitzen waren schon schrumpelig, das Wasser kalt, als sie aus ihrem Tagtraum erwachte, und Estelle gab das Dasein als Badenixe nur widerstrebend auf. Eingehüllt in einen weichen, viel zu großen Bademantel, den das Hotel seinen Gästen zur Verfügung stellte, tänzelte sie zu den Klängen von »Dancing with Myself« zurück in den Salon. Ihr Abendessen stand bereit, aber ein Blick auf die Uhr gemahnte Eile. In Rekordzeit schlang sie ein paar Happen hinunter und war wenig später frisiert und geschminkt. Das seidene Unterkleid umschmeichelte leise raschelnd ihren Körper, als sie einen Fuß auf das Sofa stellte und hauchdünne Strümpfe über ihre Beine rollte. Sie genoss die Wärme ihrer Hände, die sich durch das glatte Material wie die Berührungen eines Geliebten anfühlten. Da klopfte es. Estelle eilte auf bloßen Füßen zur Tür, öffnete und hielt mitten in der Bewegung inne. »Komm herein!« Ihre Stimme klang eine Spur ehrfürchtig und sie ergänzte kräftiger: »Setzt dich doch! Ich bin gleich so weit!« Mit diesen Worten floh sie ins Bad und lehnte einen Augenblick ihre Wange an die kühlen Kacheln, um sich zu sammeln. Bisher hatte sie Julen für den lässigen Typ Mann gehalten. Jeans, T-Shirt und neulich die Lederhose, das war sein Stil. Nie hätte sie geglaubt, er könne einen eleganten Abendanzug mir der gleichen Selbstverständlichkeit tragen. Er konnte, und dass sein Haar gewohnt strubbelig war und er offenbar auch eine zweite Rasur an diesem Abend nicht für erforderlich gehalten hatte, verlieh ihm in ihren Augen mehr denn je das Flair eines verwegenen Draufgängers. Schnell füllte sie einen Zahnputzbecher mit kaltem Wasser und stürzte es hinunter. »Auf in den Kampf!«, flüsterte sie, zog sich flink an und trat ihm entgegen.
    Das anerkennende Aufblitzen in seinen Augen schenkte ihr genügend Selbstvertrauen, um an seiner Seite das Foyer des luxuriösen Hotels zu durchqueren und bald darauf kokett die strengen Blicke der Türsteher eines Clubs zu erwidern. Julens Hand lag zwischen ihren Schulterblättern und weckte eine Energie in ihrem Körper, die sich wie ein Steppenbrand ausbreitete und sie von innen leuchten ließ. Ein Umstand, der

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