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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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hindurchtrat, sah er, dass die Haustür weit offen stand. Ein Dutzend mögliche Erklärungen schossen ihm durch den Kopf, keine davon erfreulich.
    Mit pochendem Herzen blieb er stehen und blickte sich erst einmal um. Nachdem er Gemma so eindringlich zur Vorsicht ermahnt hatte, wollte er jetzt nicht derjenige sein, der sich leichtsinnig in eine gefährliche Situation begab.
    Nichts war zu hören, nichts rührte sich. Dann sah er die Fußstapfen. Im Schatten der Hecke war das lange Gras im Vorgarten noch feucht vom Tau, und eine deutlich erkennbare einzelne Fußspur führte von der Vortreppe auf den Rasen und um das Cottage herum.
    Vorsichtig folgte Kincaid ihr. Als er um die Hausecke bog, sah er Freddie Atterton am Ende des Gartens stehen und auf den Fluss hinausblicken. Er trug eine Jeans und ein verwaschenes T -Shirt in Oxford-Blau, und er war barfuß.
    »Mr. Atterton«, sagte Kincaid leise, und Atterton drehte sich um.
    »Oh. Sie sind’s.« Das Lächeln, mit dem er Kincaid ansah, war zögerlich, und er wirkte ein wenig desorientiert.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Kincaid und trat näher. Jetzt sah er, dass das blaue T -Shirt wirklich ein Oxford Blue war – es hatte das Emblem des Oxford University Boat Club auf der Brust. »Wir haben uns alle ein wenig Sorgen um Sie gemacht. Besonders DC Bell.«
    »Imogen. Ein schöner Name. Und ein hübsches Mädchen.« Diesmal war das Lächeln schon ein wenig fester, doch dann zog er die Stirn in Falten. »Sie hat nach mir gesucht?«
    »Sie haben Ihre Mailbox nicht abgehört.«
    »Nein. Hab das verdammte Handy ausgeschaltet. Die Presse.«
    »Sind Sie seit gestern Abend hier?«
    Freddie nickte.
    »Was tun Sie hier draußen im Garten?«, fragte Kincaid so sanft, als ob er mit einem seiner Kinder spräche.
    »Ich wollte – Ich wollte nur sehen –« Freddie brach ab, seine Zähne klapperten. Kincaid sah, dass seine Hosenbeine vom feuchten Gras bis fast zu den Knien klatschnass waren – wie inzwischen auch seine eigenen. »Man kann es von hier nicht ganz sehen«, fuhr Freddie fort. »Temple Island. Aber sie war so nahe dran.«
    »Ja«, pflichtete Kincaid ihm bei. »Das war sie.« In ebenso beiläufigem Ton fügte er hinzu: »Sie haben wohl Ihre Schuhe verloren.«
    »Oh.« Freddie sah an sich hinunter und schien überrascht, dass er barfuß war. Er fasste an sein T -Shirt. »Ich habe die Sachen hier gefunden. Meine Klamotten von der Uni. Im Kleiderschrank. Sie hatte sie aufgehoben.« Er hatte Tränen in den Augen.
    »Ich finde«, sagte Kincaid in sachlichem Ton, »wir sollten ins Haus gehen, eine Tasse Tee trinken und uns erst mal aufwärmen. Dann können wir über alles reden. Einverstanden?«
    Die zerwühlte Bettdecke auf dem Sofa ließ darauf schließen, dass Freddie Atterton hier übernachtet hatte und nicht oben im Schlafzimmer. Kincaid konnte es ihm nicht verdenken. Im Bett der toten Exfrau zu schlafen, wäre schlimm genug. In dem Bett zu schlafen, von dem man inzwischen wusste, dass die tote Exfrau es mit einem anderen Mann geteilt hatte, wäre noch schlimmer.
    »Sie sollten sich umziehen«, riet er Freddie, als er ihm ins Zimmer folgte.
    »Ich trockne mich nur ab. Vergessen Sie nicht, ich bin Ruderer. Oder jedenfalls war ich einer. Und nass zu werden gehört für einen Ruderer ganz einfach zum Alltag.«
    Im Wohnzimmer war es kalt, trotz des sonnigen Tages, wie auch beim ersten Mal, als Kincaid das Cottage betreten hatte. »Wie wär’s dann, wenn Sie erst mal einheizen? Ich bin nämlich nicht ganz so abgehärtet wie Sie. Ich mach uns inzwischen etwas Heißes zu trinken.«
    In der Küche fand er Teebeutel – Marke Tetley’s. Offenbar war Rebecca in dieser Hinsicht recht anspruchslos gewesen. Im Kühlschrank stand ein halb volles Plastikkännchen mit Milch, deren Haltbarkeitsdatum gerade noch nicht abgelaufen war. Nachdem er Wasser aufgesetzt hatte, schaute er ins Wohnzimmer und fragte: »Milch und Zucker?«
    Freddie nickte. »Von beidem reichlich. Auch so eine alte Ruderergewohnheit. Immer rein damit, wenn es nur ordentlich Kalorien hat.« Nachdem er den Gaskamin eingeschaltet hatte, räumte er die Bettdecke beiseite und setzte sich aufs Sofa. Er begann einige alte Fotos hin- und herzuschieben, die auf dem kleinen Couchtisch ausgebreitet waren.
    Kincaid füllte zwei Becher, ließ bei seinem den Zucker weg und entschied sich im letzten Moment, auch auf die Milch zu verzichten. Dann ging er mit dem Tee ins Wohnzimmer und nahm den Sessel direkt neben

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