Die stillen Wasser des Todes - Roman
auch im Vierer gerudert, und schließlich im Einer, der seit dem ersten Tag auf dem Lea seine wahre Liebe gewesen war.
Was weder er noch sein Coach in jenen unbeschwerten Tagen vor dem 11. September hatten vorhersehen können, war, dass die Welt sich verändern und dass Kieran vier Kampfeinsätze im Irak erleben würde. Beim letzten war seine Einheit in eine improvisierte Sprengfalle geraten, und er hatte als Einziger überlebt.
In Tottenham hatte ihn bei seiner Rückkehr nichts mehr erwartet. Seinen Vater hatte der Krebs dahingerafft, das Haus war verkauft worden, um seine Schulden zu bezahlen – wenngleich Kieran die Tischlerwerkzeuge seines Vaters hatte retten können. Danach hätte er es nicht mehr ertragen, zum Lea zurückzukehren und dort irgendjemandem zu begegnen, den er gekannt hatte und der ihn vielleicht auch noch bemitleiden würde.
Und so hatte er sich einen alten Land Rover gekauft und sich ziellos durch den Süden Englands treiben lassen. Er hatte in einem Zelt geschlafen, immer wieder angezogen von den Flüssen, ohne dass er eine Vorstellung davon gehabt hätte, was er tun oder wo es einen Platz für ihn geben könnte.
Und dann, an einem frühen Morgen im Mai, zwei Monate nach seiner Entlassung, hatte er auf der Henley Bridge gestanden und den Ruderern zugeschaut, und er war sich klein, unbedeutend und unwirklich vorgekommen.
Später war er in die Stadt gegangen, um Vorräte zu kaufen, als er im Schaufenster eines Immobilienmaklers die Anzeige für den Bootsschuppen entdeckt hatte. Es war ihm vorgekommen wie ein Rettungsring, den man einem Ertrinkenden zuwirft.
Wenige Wochen später, inzwischen stolzer Besitzer des Ein-Zimmer-Schuppens, war er mit seinen paar Habseligkeiten eingezogen, hatte sich ein gebrauchtes Skiff gekauft und zum ersten Mal seit Jahren wieder mit dem Rudern angefangen. Es war wie Fahrradfahren, dachte er – einmal gelernt, nie vergessen. Sein Körper, noch immer nicht ganz geheilt, hatte protestiert, doch er hatte weitergemacht, und ganz allmählich war er immer stärker geworden.
Es gab dort einen Anleger, an dem er das kleine Motorboot festmachen konnte, das er sich ebenfalls gekauft hatte, und der kleine Schwimmsteg des Bootsschuppens gab ihm die Möglichkeit, sein Skiff gleich vor der Haustür zu Wasser zu lassen. Er war nicht daran interessiert, in einem Club zu rudern oder wieder Wettkämpfe zu bestreiten. Er ruderte nicht mehr, weil er sich sportlich betätigen wollte, sondern um nicht den Verstand zu verlieren.
Aber es war unmöglich, Tag für Tag auf der Themse bei Henley zu rudern, ohne anderen Ruderern zu begegnen, und einige hatten ihn aus seinen Wettkampftagen wiedererkannt. Ein paar andere erinnerten sich, dass er ein Händchen für das Reparieren von Booten hatte, und nach ein paar Monaten begann er hier und da einen kleinen Auftrag anzunehmen.
Die Arbeit half ihm, die Zeit zwischen dem Rudern am Morgen und dem Laufen am Abend auszufüllen, und in den Stunden, in denen er nicht am Boot eines anderen Ruderers herumwerkelte, hatte er ganz zaghaft begonnen, am Entwurf für ein Rennruderboot aus Holz zu arbeiten. Er war schließlich der Sohn eines Möbelschreiners. In seinen Augen besaßen Holzboote ein Leben und eine Eleganz, die Booten aus glasfaserverstärktem Kunststoff abging, und in gewisser Weise war das Projekt ein Tribut an seinen Vater.
Doch er hatte niemanden zum Reden gehabt außer sich selbst, und diese kleine Stimme war eine Art Puffer gegen die Erinnerungen, die ihn in den Nächten wach hielten.
Und dann war er eines Tages aufgebrochen, um ein Boot abzuholen, das geflickt werden musste, und hatte im Garten des Besitzers einen kleinen Zwinger voller Welpen gesehen.
Er hatte dann nicht nur das Boot mitgenommen, sondern auch Finn.
Dieses wohlgenährte, zappelige schwarze Hundebaby hatte Kieran in den zwei Jahren, die seither vergangen waren, einen Grund gegeben, morgens aufzustehen. Finn war mehr als ein Gefährte, er war Kierans Partner, und diese Verbindung hatte Kieran etwas gegeben, womit er in diesem Leben schon nicht mehr gerechnet hatte – eine sinnvolle Aufgabe.
Sicher hatte Tavie auch ihren Anteil daran gehabt, aber ohne Finn hätte er Tavie nie kennengelernt.
Als ob er wüsste, dass er der Gegenstand von Kierans Grübeleien war, streckte Finn behaglich die Zehen an seinen Hinterpfoten aus und bettete seinen schweren Kopf noch etwas bequemer auf Kierans Knie.
Kieran veränderte seine Sitzhaltung und verzog das Gesicht, als das
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