Die stillen Wasser des Todes - Roman
allein.« Er stand auf, drehte sich dann noch einmal um und sah Milo eindringlich an. »Und bitte rufen Sie ihn nicht an, bis ich Gelegenheit hatte, mit ihm zu sprechen.«
Kincaid fuhr die Remenham Lane entlang und folgte Milos Wegbeschreibung zu Rebecca Meredith ’ Cottage. Die Straße verlief hinter dem Leander-Club parallel zum Fluss. Zwar waren die Straßenmarkierungen gut zu erkennen, doch Kincaid war es nicht gewohnt, einen so großen und schweren Wagen wie den Astra zu steuern. Die Kurven tauchten jäh vor ihnen auf, und ein paar Mal bremste er ein bisschen heftiger ab als notwendig.
»Müssen ihn wohl erst noch einfahren?«, fragte Cullen und ließ das Armaturenbrett los, an dem er sich festgehalten hatte.
Kincaid warf ihm einen bösen Blick zu und sah sofort wieder auf die Straße. »Und Sie würden es natürlich besser machen, wie?«
Cullen besaß den Anstand, darauf nicht zu antworten. Tatsächlich war er ein guter Fahrer, obwohl er selbst kein Auto besaß, und wenn sie einen Wagen aus dem Fuhrpark des Yard nahmen, fuhr meistens er. Aber Kincaid war noch nicht bereit, jemand anderen ans Steuer seines neuen fahrbaren Untersatzes zu lassen.
Nachdem sie eine Ansammlung von kleinen Häusern nahe der Hauptstraße passiert hatten, tauchten im Scheinwerferlicht Hecken und Wiesen auf, und zur Linken konnte Kincaid dann und wann eine dunkle Fläche ausmachen – das musste der Fluss sein. Als erneut Lichter zu sehen waren, bremste er auf Schritttempo ab, und bald erblickte er auf der linken Seite kleine Häuser, die ganz dicht am Straßenrand standen.
Zwei Autos parkten auf dem rechten Grünstreifen; eines zeigte die auffällige blau-gelbe Markierung der Thames Valley Police, das andere war ein neueres Audi-Modell. Dicht hinter einem Zaun auf der linken Seite stand ein Cottage aus roten Ziegelsteinen mit Giebeldach.
Als Kincaid den Wagen abstellte und ausstieg, sah er einen Constable hinter dem Gartentor stehen, und auf den Stufen vor dem Haus saß ein Mann. Durch die Buntglasscheiben der Haustür drang ein schwacher Lichtschein nach draußen, doch die Treppe selbst lag im Dunkeln.
Kincaid zückte seinen Dienstausweis und hielt ihn in den Lichtstrahl der Taschenlampe des Constables. »Scotland Yard. Detective Superintendent Kincaid und Sergeant Cullen.«
»Sir –«
Der Mann, der auf den Treppenstufen saß, sprang auf, als sei er plötzlich aus einer Trance erwacht. Er stürmte auf sie zu und sprudelte sofort los: »Scotland Yard? Was tun Sie hier? Wieso sagt mir niemand, was los ist? Haben Sie Becca gefunden?«
Sein Akzent war vornehm, seine Aufmachung merkwürdig. Soweit Kincaid es im Schein der Innenbeleuchtung erkennen konnte, trug er einen alten Anorak und darunter Anzug und Krawatte. Der Krawattenknoten war gelockert und hing schief, als ob er daran gezerrt hätte, doch das Hemd war noch bis zum Kragen zugeknöpft.
»Mr. Atterton?«, fragte Kincaid.
Der Mann beäugte ihn kritisch. »Woher kennen Sie meinen Namen? Was ist passiert? Warum lässt man mich nicht ins Haus meiner Frau? Verdammt, ich hab schließlich einen Schlüssel –« Er wandte sich zur Tür um, und als der Constable ihn zurückhalten wollte, schlug er nach ihm und traf ihn am Arm.
»Na, na, Sir, nun wollen wir uns doch erst einmal beruhigen, ja?«, sagte der Constable in jenem provozierend vernünftigen Ton, der die erste Verteidigungslinie jedes Streifenpolizisten ist.
»Nein, ich will mich nicht beruhigen. Ich will –« Er wandte sich an Kincaid, und seine Miene wurde plötzlich beschwörend. »Ich will meine Frau sehen.«
»Mr. Atterton.« Kincaid merkte, dass er den Ton des Constables imitierte, und gab sich Mühe, nicht allzu bevormundend zu klingen. Und dies war auch nicht der richtige Ort, um die schlechte Nachricht zu überbringen. »Sie sagen, Sie haben einen Schlüssel. Warum gehen wir nicht hinein und unterhalten uns dort?«
Atterton wirkte plötzlich verunsichert. »Aber –«
Der Constable, ein schmächtiger junger Mann, der gewiss seine liebe Mühe gehabt hatte, den fast einen Meter neunzig großen Atterton in Schach zu halten, schaltete sich ein. »Sir, ich habe den Auftrag, dieses Anwesen zu sich…«
Kincaid schüttelte knapp den Kopf und blickte sich zu Cullen um. »Doug, wenn Sie das übernehmen würden.«
»Okay.« Doug führte den Constable ein paar Schritte zur Seite und redete leise auf ihn ein, während Kincaid Attertons Ellbogen fasste.
»Wo haben Sie denn den Schlüssel, Mr. Atterton?« Der
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