Die stillen Wasser des Todes - Roman
bildete. Die Möbel waren ein wenig verschlissen und erinnerten ihn an das alte Chesterfield-Sofa seiner Eltern.
Alles hier sah nüchtern und zweckmäßig aus wie das Zimmer eines Mannes, dachte er, als er sich umsah. Schmucklos, eine Studie in Weiß- und Brauntönen. Die einzigen Farbtupfer bildeten die Rücken der Bücher in den schlichten Regalen und einige wenige gerahmte Fotos. »Das Boot hatte sich direkt unterhalb von Temple Island am Ufer verfangen«, erklärte er. »Wir wissen noch nicht, was den Tod Ihrer Exfrau verursacht hat.« Er hörte das Klicken des Türschlosses, als Cullen eintrat. »Doug«, rief er, »könnten Sie uns vielleicht was Heißes zu trinken organisieren?«
Nachdem Cullen in der Küche verschwunden war, blickte Freddie Atterton zu Kincaid auf. »Sind Sie sicher? Sind Sie wirklich sicher, dass es Becca ist? Es könnte eine Verwechslung –«
»Ein Mitglied des Suchteams ist selbst Ruderer. Er hat sie wiedererkannt. Aber wir müssen noch eine formale Identifizierung durchführen, sobald Sie sich dazu in der Lage fühlen. Das heißt, falls es sonst niemanden gibt –«
»Nein, nein. Beccas Eltern sind geschieden, und sie ist – sie hatte zu beiden kein sehr enges Verhältnis. Ihre Mutter lebt in Südafrika, und zu ihrem Vater hatte sie seit Jahren keinen Kontakt mehr. O Gott – ich werde es ihrer Mutter sagen müssen.«
Cullen kam mit einem Glas und einer Flasche Whisky aus der Küche zurück. »Ich habe Teewasser aufgesetzt, aber fürs Erste …« Als er die Flasche entkorkte und einen guten Fingerbreit für Atterton einschenkte, sah Kincaid, dass es sich um fünfzehn Jahre alten Balvenie handelte – und sogar eine Einzelfass-Abfüllung. Rebecca Meredith hatte offenbar einen guten Geschmack gehabt, was Whisky betraf; allerdings war die Flasche kaum angerührt.
Atterton stieß mit dem Glasrand gegen seine Zähne, als er einen Schluck nahm. »Das ist mein Scotch«, sagte er und fing an zu lachen. »Becca hat Scotch gehasst. Sie hat ihn für mich aufgehoben. Wie passend. Sie hätte sich scheckig gelacht über diese Szene.«
Dann entgleisten seine Gesichtszüge, und ein ersticktes Schluchzen war zu hören. Das Glas glitt ihm aus den Fingern und landete fast geräuschlos auf dem Teppich. Der Whiskygeruch breitete sich wie ein Nebel über die Traurigkeit im Raum aus.
»Mistkerl«, schimpfte Tavie.
Die Schäferhündin legte den Kopf schief und sah ihre Herrin fragend an.
»Dich meine ich nicht, Tosh.« Tavie, die bisher in ihrem kleinen Wohnzimmer auf und ab gegangen war, blieb stehen und sah auf ihre Hündin hinab. Unwillkürlich musste sie lächeln. Sie ging in die Hocke und tätschelte Tosh den Kopf. »Und deinen Kumpel Finn auch nicht. Er hat gute Arbeit geleistet.«
Ermutigt durch ihren Ton, erhob Tosh sich von ihrem Platz am Kamin und lief auf den Korb mit Hundespielzeug zu. Sie schob die Nase in den Berg von Bällen und Stofftieren, fischte einen quietschenden Tennisball heraus und tänzelte damit zu Tavie zurück. Sie schien außerordentlich stolz auf sich zu sein.
»Okay, aber nur das eine Mal«, sagte Tavie und bemühte sich, ihre Stimme streng klingen zu lassen. Sie warf den Ball in die Küche, und Tosh hetzte hinterher. Kurz darauf signalisierte ein schrilles Quietschen den erfolgreichen Abschluss der Jagd. Doch die Hündin schien die Stimmung ihrer Herrin zu spüren, denn als sie mit dem Ball zurückkam, kehrte sie auf ihren Platz am Kamin zurück, wo sie zwar geräuschvoll auf ihrer Beute herumkaute, jedoch ohne um einen weiteren Wurf zu betteln.
Die Spieleinlage erinnerte Tavie allerdings daran, dass sie es gewesen war, die an diesem Nachmittag Finn hatte belohnen müssen, nachdem sie die Leiche gefunden hatten. Sie war es, die den Ball aus Kierans Tasche nahm, den Labrador ausgiebig herumtollen ließ und ihn fleißig lobte. Die erste und wichtigste Regel bei der Arbeit mit Such- und Rettungshunden lautete, dass der Führer den Hund belohnen musste, wenn dieser etwas gefunden hatte, und dass er bei einem Leichenfund die gleiche Begeisterung vermitteln musste wie beim Fund einer lebenden Person. Die Hunde mussten das Gefühl haben, ihre Arbeit gut gemacht zu haben, ganz gleich, was das Ergebnis war.
Aber Kieran … Kieran hatte nur dagestanden, stumm und kreidebleich, während Tavie die Leitstelle angefunkt hatte.
Kieran hatte sich nicht um seinen eigenen Hund gekümmert.
Und Kieran hatte gelogen. Kieran hatte das Opfer gekannt, und er hatte es Tavie
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