Die stillen Wasser des Todes - Roman
Schäferhündin kaum würdig schienen. Auf der anderen Straßenseite ragte der Feuerwehr-Übungsturm in der Dunkelheit auf wie ein klobiges Monstrum; doch sowohl sie als auch Tosh hatten ihn im Rahmen ihrer Ausbildung schon so oft erklommen, dass er sie beide nicht mehr schrecken konnte.
Die Feuchtigkeit, die in der Abenddämmerung vom Fluss aufgestiegen war, hatte sich verzogen, und die Luft war jetzt kühl und frisch. Tavie konnte über sich die Sterne sehen, und irgendwo brannte ein Feuer.
Tavie liebte den Herbst, und als sie zum Marktplatz hinunterging, mit Tosh, die leichtfüßig neben ihrem Knie dahintrabte, wurde ihr bewusst, wie sehr sie diese einfachen Freuden genoss. Wenn sie im Einsatz waren, bildeten sie und die Schäferhündin ein Team, doch es war eine unsichtbare Spannungslinie, die sie miteinander verband, als ob Tosh die Spitze eines Pfeils wäre und Tavie der Schaft, der seinen Flug stabilisierte.
Wenn sie jedoch nur zum Vergnügen unterwegs waren, so wie jetzt, und beschwingt Seite an Seite spazierten, dann stellte sich ein Gleichklang zwischen ihnen ein, den Tavie so noch mit keinem anderen Wesen erlebt hatte.
Sie merkte, wie sie sich allmählich entspannte, während sie ihre Bewegungen dem Rhythmus ihrer Hündin anglich, und ihre Laune begann sich zu heben.
Sie ließen den Marktplatz hinter sich und überquerten die Duke Street. Vielleicht würden sie doch nur bis zum Fluss hinuntergehen, dachte Tavie. Vielleicht hatte sie zu heftig reagiert, was Kierans Verhalten betraf, und sollte lieber bis morgen warten, ehe sie ihn zur Rede stellte.
Und da entdeckte sie den Hund. Er war an ein Bäumchen in einem Pflanzkübel vor dem Magoos gebunden, jener Bar, in der man früher oder später jeden traf, wenn man in Henley ausging. Ein schwarzer Labrador. Ein schwarzer Labrador, der von seiner aufmerksamen Bewachung des Eingangs abließ und freudig mit dem Schwanz wedelte, als er sie kommen sah. Finn.
Tosh zerrte an ihrer Leine, und Tavie hielt sie zurück. Die entspannte Stimmung war von einem Moment auf den anderen dahin.
»Hallo, alter Junge. Was machst du denn hier?«, sagte sie, als sie bei Finn anlangte. Sie ging in die Knie und ließ sich mit einem schlabbernden Labrador-Kuss begrüßen, während sie ihm die Ohren kraulte. Was zum Teufel dachte Kieran sich dabei, den Hund vor einer Bar allein zu lassen? Einen ausgebildeten Hund für ein, zwei Minuten vor einem Laden anzubinden, mochte ja noch angehen, aber das hier – Finn war schließlich ein wertvoller Hund. Jeder, der vorbeikam, hätte ihn einfach mitnehmen können.
Jeder hätte tun können, was sie jetzt tat, dachte sie, als sie den sauberen Knoten löste, den Kieran geknüpft hatte. Nachdem sie den Hund befreit hatte, versuchte sie durch die Fenster des Lokals zu spähen, doch die halbhohen Läden verdeckten ihr die Sicht.
Und was zum Teufel hatte Kieran im Magoos verloren?, fragte sie sich. Sie hatte ihn noch nie mehr als ein Bier trinken sehen, und auch das nur, wenn die anderen Teammitglieder ihn mehr oder weniger dazu nötigten. Ganz bestimmt hatte sie ihn noch nie allein in einer Bar gesehen.
Nachdem sie Finns Leine losgebunden hatte, zog der Hund sie sofort winselnd in Richtung Tür. Tavie zögerte einen Moment, dann packte sie die Leinen beider Hunde fester und trat ein. An einem Abend zu Beginn der Woche ging es in der Regel eher ruhig zu – kein Pub-Quiz, kein DJ –, dennoch tummelten sich eine ganze Menge Gäste in dem langen, schmalen Raum.
Köpfe drehten sich zur Tür, und der Geräuschpegel sank ein wenig ab. Mike, der Barkeeper, blickte von dem Glas auf, das er gerade abwischte. »Tavie.« Sein spontanes Lächeln verflog gleich wieder. »He, du kannst die Hunde nicht hier rein…«
»Ich bleibe nicht lange.« Sie hatte Kieran schon entdeckt, der allein an einem Tisch an der Wand saß. Vor ihm standen ein fast leeres Glas und eine große Flasche Strongbow-Cider. Finn hatte ihn auch gesehen, er zerrte an seiner Leine und jaulte aufgeregt.
Tavie blieb stehen, ehe sie den Tisch erreicht hatte, und hielt die Hunde an der kurzen Leine. »Kieran.«
Er hob den Kopf, und die Überraschung ließ sein langes Gesicht plötzlich jünger wirken. Doch aus der Überraschung wurde schnell Bestürzung und dann Angst. Als er aufstand, stieß er gegen den Tisch, und der Cider schwappte im Glas hoch. »Was – Tavie – Was machst du denn da mit Finn? Ist alles in Ordnung mit –«
»Komm mit nach draußen. Sofort.« Tavie
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