Die Stimme der Erde
Philbo bestiegen und war allein vom Burghof geritten. Einige Männer hatten ihm etwas nachgerufen, aber er hatte auf nichts reagiert, sondern war, den Blick starr geradeaus gerichtet, weitergeritten.
Philippa saß, die Hände auf dem Schoß gefaltet, in ihrem Zimmer auf dem Bett. Die Lage war so verworren, daß sie nicht damit fertig wurde. Daß sie des Königs uneheliches Kind war, bedeutete ihr wenig. Daß ihr viele Ereignisse ihres vergangenen Lebens jetzt klar geworden waren, spielte auch kaum eine Rolle für sie. Und am allerwenigsten bedeutete ihr die Lösung des Rätsels, warum Walter sie hatte unbedingt heiraten wollen.
Allein ihr Ehemann war es, der ihre Gedanken beherrschte. Sie sah noch sein blasses Gesicht vor sich. In ihren Ohren klangen noch seine in höchster Wut gesprochenen Worte. Sie erbleichte wieder bei dem Gedanken an seinen Zorn darüber, daß sie ihn betrogen hatte. Wenn es ein Betrug war, so hatte sie doch keinen Anteil daran. Aber gerade das wollte er nicht glauben. Oder vielleicht glaubte er es doch, und es war ihm in seiner Empörung einfach gleichgültig, wer was getan hatte.
Wenn in diesem Augenblick König Edward bei ihr im Zimmer gewesen wäre, hätte sie ihm mit lauter Stimme seine verdammte Scheinheiligkeit vorgeworfen - und ihn gleich darauf leidenschaftlich in die Arme geschlossen, vor Freude darüber, daß er Dienwald zu ihrem Gatten bestimmt hatte.
Sie stand auf und ging unruhig auf und ab. Was war zu tun?
Würde Dienwald zurückkommen? Natürlich. Er mußte zurückkommen. Wohin sollte er denn gehen? Und hatte er nicht einen Sohn, den er nie verlassen würde?
Eigentlich hätte sie jetzt den Frauen Anweisungen geben müssen. Sie mußte sich nach Burnells Wünschen erkundigen. Und nach denen von Lord Henry. Schließlich erwies sich ihr Pflichtbewußtsein stärker als Kummer und Angst, und sie verließ ihre Kammer.
Lord Henry und Robert Burnell saßen bei Dienwalds gutem Bier zusammen und unterhielten sich freundschaftlich. Sie sagten ihr, sie wollten bis morgen bleiben. Sie sprachen dem Bier mit einer Begeisterung zu, die sie daran zweifeln ließ, daß Burnell, der ergebene Kirchenmann, der im Dienste seines Königs nie ermattete, noch lange aufrecht stehen könnte.
Danach suchte sie Margot auf. Die Frau machte einen so tiefen Knicks vor ihr, daß Philippa befürchtete, sie würde gleich flach auf ihr Gesicht fallen.
»Das läßt du in Zukunft bleiben, Margot. Ich bin nicht mehr, als was ich vorher gewesen bin. Bitte, du darfst nicht...« Philippa brach ab, starrte ins Leere und brach in Tränen aus.
Eine kleine Hand stahl sich in ihre. Durch den Tränenschleier erkannte sie Edmund.
»Vater kommt bestimmt zurück, Philippa. Er muß zurückkommen. Und vielleicht ist er dann besänftigt.«
Sie konnte nur nicken und begab sich dann in ihr Schlafzimmer, obwohl sie wußte, daß es unhöflich gegenüber den Gästen war. Aber sie hätte die Gegenwart von Lord Henry und Robert Burnell, ihres Vaters Kanzler, jetzt nicht ertragen.
Dienwald kam nicht zurück. Nicht in dieser Nacht und nicht am nächsten Tag.
Spät am übernächsten Tag kam ein weiterer Mann nach St. Erth. Er kam allein auf einem herrlichen schwarzen Berberpferd und fragte nach Robert Burnell. Der Kanzler hatte eigentlich an diesem Morgen aufbrechen wollen. Aber nach einem weiteren ausgedehnten Bierabend mit Lord Henry war er lange im Bett geblieben und sah immer noch blaßgrün aus.
Der Mann hieß Roland de Tournay. Ihr war das gleichgültig. Doch sie begrüßte ihn und führte ihn zu Burnell. Der saß mit Lord Henry an einem trägen Kaminfeuer. Beide bemühten sich, nicht an ihren pochenden Schädel zu denken.
Burnell vergaß seine Kopfschmerzen und sprang auf. »De Tournay! Was führt Euch denn her? Beim König alles in Ordnung? Braucht er ...«
»Ich bin auf Befehl des Königs hier«, sagte Roland und bedeutete Burnell, wieder Platz zu nehmen. »Ich habe ihm versprochen, mit Euch über die Erbin zu sprechen - des Königs uneheliche Tochter. Er wünschte, daß ich sie mir mal ansehe.«
Jetzt sprang Lord Henry auf die Beine. »Sir, de Fortenberry ist bereits des Königs Schwiegersohn geworden!«
»Ihr wollt damit sagen, daß die Erbin schon vergeben ist?«
»Ja, an den Mann, den ihr der König zum Gatten bestimmt hatte.«
Roland lächelte. »Damit ist meine Reise von Erfolg gekrönt. Ich bin der Ehe entgangen. Also hat dieser Halunke sie bekommen?«
Philippa trat vor und fragte: »Der König hat Euch
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