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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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auf die Aborte gehen. Bitte, Master Edmund!«
    Edmunds Miene wurde tückisch. »Mein Papa macht, daß du es bereuen wirst, is ja wahr!«
    »Das ist und nicht is ja.«
    Das war wieder sehr unbedacht gesagt, und der kleine Junge ging in die Luft wie ein Flaschenkorken. »Ich rede so, wie ich will! Keiner hat mir zu sagen, wie es heißen tut. Is ja ...«
    »Das ist und nicht is ja.«
    »Du bist lang und häßlich, und mein Papa kann dich nicht leiden. Hoffentlich steigst du bald wieder in einen Wagen und verschwindest. Du bist kein Mädchen, du bist 'n blöder Maibaum!« Edmund wollte weg - und lief seinem Vater in die Arme.
    »Warum sagst du so etwas zu ihr, Edmund?«
    »Ich kann sie nicht leiden«, antwortete Edmund und stampfte mit einem sehr schmutzigen Fuß auf die Erde.
    »Warum hast du keine Schuhe an?«
    »Weil Löcher drin sind.«
    »Gibt es denn keinen Schuhmacher auf der Burg?« erkundigte sich Philippa, die sich selber dringend Schuhe an den Füßen wünschte.
    Dienwald schüttelte den Kopf. »Grimson ist vor einem halben Jahr gestorben und der Lehrling eine Woche später.«
    Philippa war drauf und dran, ihm zu sagen, er solle seinen kostbaren Verwalter nach St. Ives schicken, um einen Schuster zu engagieren. Da fiel ihr ein, daß er ja kein Geld hatte. »Wißt Ihr«, sagte sie statt dessen, »wenn Euer Waffenschmied Leder auf die richtige Größe für Euren Sohn zuschneiden kann, könnte ich es vernähen. Allerdings brauche ich dazu ein paar kräftige, dicke Nadeln.«
    Dienwald runzelte die Stirn. Das Weib mischte sich in alles ein. Edmund hatte recht. Sie gehörte nicht hierher. Noch einmal fiel sein Blick auf die schmutzigen Füße seines Sohnes, und er sah den Schorf auf dem kleinen Zeh. Er fluchte. Edmund feixte. Er freute sich auf einen Zornesausbruch seines Vaters.
    »Ich spreche mit meinem Waffenschmied«, sagte Dienwald und nahm Edmund am Arm. »Zeit für den Unterricht, Edmund, und keine Widerrede!« Damit zog er ihn aus der Stube.
    Edmund warf einen Blick über die Schulter, in dem sich Wut und äußerstes Erstaunen vereinigten.

8
    Philippa schwitzte. In den fensterlosen Raum gelangte keine frische Luft. Die Weberinnen schwitzten nicht minder. Ihre flinken Hände erlahmten, und sie begannen zu murren. In die heiße Luft mischte sich Staub vom Fußboden. Sogar die alte Agnes sah aus, als würde sie jeden Augenblick in einer Ecke zusammenbrechen.
    Philippa bekam zu hören, daß der Herr wie üblich zu viel in zu schneller Zeit von ihnen verlange. Schließlich rief sie: »Schluß! Agnes, schick jemand los, der Wasser und Essen bringt! Es ist schon Nachmittag. Wir alle haben es uns ehrlich verdient.«
    Die Frauen lächelten müde. Philippa ging unter ihnen umher und lobte sie für das gewebte Tuch. Der Tag hätte gar nicht schlimmer verlaufen können, dachte sie. Wenn sie an himmlische Vergeltung für begangene Sünden geglaubt hätte, dann würde sie annehmen, sie wäre durch ihre lästerlichen Untaten für alle Mißlichkeiten verantwortlich. An den elenden Webstühlen, die der niederträchtige Prink nie in Ordnung gehalten hatte, brach immer wieder ein altes, verbrauchtes Teil ab. Während des langen Vormittags war sie Gorkel dem Schrecklichen näher gekommen als irgendeinem anderen. Er arbeitete ja noch schwerer als sie. Sogar Gorkel schien dem Zu-sammenbrechen nahe. Übrigens fürchtete sich Philippa nicht mehr vor ihm. Ja, sie fand nicht einmal mehr sein Äußeres abstoßend.
    Die Wolle ist von ausgezeichneter Qualität, dachte Philippa. Sie prüfte gerade den Stoff, den Mordrid gewebt hatte. Es war die einzige Frau, die Prink im Weben ausgebildet hatte. Das war wohl der Lohn dafür, daß sie den alten Schleimer in ihr Bett gelassen hatte, wie Philippa von Agnes erfuhr.
    Der Stoff war so strapazierfähig, daß er mehrere Winter überdauern würde. Auf dem Markt von St. Ives hätte er einen guten Preis erzielt. Sie würde sich als erste von den anderen Bediensteten ein Kleid daraus nähen lassen. Vielleicht auch einen Überrock mit langen weichen Ärmeln und passender Taille. Das brauchte Dienwald ja nicht zu erfahren.
    Dann sah sie im Geist Edmund vor sich. Der kleine Lümmel sprach und kleidete sich wie der letzte Tagelöhner. Sie seufzte. Sein Rock bestand nur aus Fetzen.
    Dann erinnerte sie sich daran, daß auch bei Dienwald der Ellbogen schon durch ein Loch im Ärmel hervorkam, und sie seufzte erneut.
    Doch dann fiel ihr wieder ein, daß sie seine Gefangene war. Sie schuldete ihm also

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