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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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überwand das Gefühl, packte sie am Arm und sagte: »Komm mit!«
    »Nein!«
    Er blieb stehen und sah von Gorkel zu Philippa, die blaß vor Wut war.
    Sie holte mit dem freien rechten Arm aus und schlug ihm mit aller Kraft die Faust ans Kinn, daß sein Kopf zurückflog. Er verlor das Gleichgewicht und wäre unrühmlich zu Boden gegangen, wenn Gorkel ihn nicht festgehalten hätte.
    Dienwald strich sich über das schmerzende Kinn und fixierte Philippa. »Du bist stark«, sagte er nach einer Weile. »Du bist wirklich sehr stark.«
    Sie drohte ihm mit der Faust und sagte: »Ja, und ich schlage Euch nieder, wenn Ihr noch einmal etwas versucht.«
    Dienwald riß die Augen weit auf, sah an ihr vorbei und schüttelte den Kopf. Philippa fuhr herum. Sie wollte sehen, wer oder was hinter ihr aufgetaucht war. Im nächsten Augenblick hing sie mit dem Kopf nach unten über seiner Schulter und gackerte wie ein Huhn im Regen.
    Lachend schritt er mit ihr durch den großen Saal und dann die Treppe hinauf. Er wußte, daß alle seine Leute ihnen nachsahen, über sie redeten und lachten. Ja, und seine Männer riefen ihm ausführliche und fantasievolle Ratschläge nach.
    Im Schlafzimmer warf er sie rücklings aufs Bett. »Jetzt«, sagte er.
    »Was jetzt?«
    »Du erwartest doch wohl, daß ich dir Lohn zahle?«
    »Lohn? Wofür?«
    »Für deine Tätigkeit als Verwalterin natürlich.« Plötzlich schlug er sich an die Stirn. »Ich begreife mich selber nicht mehr. Eine Frau, die so wenig Vernunft hat, daß sie durch einen stinkenden Burggraben schwimmt, um auf einem stinkenden Wollewagen zu entfliehen, will die Aufsicht über alles führen, was auf St. Erth geschieht!«
    »Mein Vater hat mir jedenfalls volles Vertrauen geschenkt.« Sehnsüchtig hielt sie nach dem Nachttopf neben dem Bett Ausschau. Die alte Agnes hatte dafür gesorgt, daß er wieder repariert worden war.
    Dienwald sagte zerstreut: »Laß das lieber sein, Dirne! Du würdest es bereuen. Und sei jetzt still! Ich muß nachdenken.«
    »Hoffentlich überanstrengt Ihr Euch nicht dabei!«
    Er überhörte die Bemerkung und sagte: »Vermutlich verlangst du, im Verwalterzimmer nicht nur zu arbeiten, sondern dort auch schlafen zu dürfen.«
    »Ja, selbstverständlich. Ganz gewiß. Endlich von Euch befreit zu sein...«
    Er hielt ihr die Arme fest und küßte sie leidenschaftlich. Es fiel ihr nicht ein, sich zu wehren. Eher hätte sie ihn gebeten, sie weiter zu küssen.
    Er fragte: »Du hast mich doch heute nacht angefleht, dich zu nehmen. Du wolltest endlich von deiner Jungfernschaft erlöst werden. Nun, dann sollst du von jetzt an allein in dem kalten Bett da unten schlafen. Du wirst dich dort nach meinen Händen und meinem Mund sehnen, das weißt du selbst. Aber du wirst mir nicht fehlen. Ich werde schlafen wie ein Säugling. Jetzt nimm dich zusammen und nähe dir ein Kleid! Ich kann's nicht mehr mitansehen, wie du rumläufst.« Und damit ließ er sie los und ging aus dem Zimmer.
    Eine knappe Stunde später besichtigte Philippa, frisch gebadet und duftend, das Haar gekämmt und im Nacken durch ein Tuch befestigt, die Kammer des Verwalters - ihre Kammer. Sie ordnete die Papiere, befahl Margot, neue Binsen auf dem Fußboden auszulegen und kehrte in Dienwalds Schlafzimmer zurück. Er lag schlafend auf dem Bauch und schnarchte laut. Neben dem Bett lagen ihre blutbefleckten Kleidungsstücke.
    In einer Hand hielt er den nahezu fertigen Waffenrock, den sie ihm genäht hatte. Vorsichtig zog sie ihn weg und schüttelte die Falten aus. »Eigentlich müßte ich ihn verbrennen«, sagte sie und nahm ihn mit, Nadel und Faden in der anderen Hand.
    Burg Crandall in der Nähe von Badger's Cross, Cornwall
    Lord Henry wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Kampfroß wieherte laut. Es war ein langer Ritt gewesen. Heiß und feucht und verdammt unangenehm. Drei Tage lang hatte er gedauert. Und was war, wenn er sich geirrt hatte? Wenn Philippa gar nicht zu ihrem Vetter geflohen war? Er nahm einen langen Schluck aus der Wasserflasche.
    Er sah die grünen Felder, die sich vor den niedrigen Burgmauern erstreckten. Crandall schien eine blühende Ansiedlung zu sein. Nur die Verteidigungsanlagen waren schwach. Wohl deshalb, weil Crandall unter der Obhut von Lord Graelam de Moreton stand. Einem Angriff auf Crandall würde eine schnelle und furchtbare Vergeltung von seiten Lord Graelams folgen. Sie hatte ja nirgendwo anders hin fliehen können. Entweder war sie hier, oder sie war tot. Man hatte die Leichen seiner

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