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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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und Fingernägel waren dreckverkrustet. Er sah aus, als hätte er sich mit Tupper im Schlamm gewälzt. Sie mußte mit Dienwald darüber reden. Er ließ seinen Sohn lesen, schreiben und rechnen lernen und dabei wie einen zerlumpten Bettlerjungen herumlaufen.
    »Doch«, sagte sie, »das werde ich tun. Und du wirst auch baden, Master Edmund. Wann sind denn deine Hände zum letztenmal mit Wasser und Seife in Berührung gekommen?«
    »Wir haben aber keine Seife mehr!« rief die alte Agnes ihr zu. »Es hat keiner daran gedacht, neue zu machen.«
    »Das kann doch nicht stimmen«, rief Philippa zurück. »Ich habe im Zimmer des Herrn selber Seife benutzt.«
    »Ja, ist ja das letzte Stück gewesen. Der Herr weiß das wahrscheinlich nicht.«
    »Dann werden wir morgen Seife machen«, sagte Philippa. »Und du kleines Ferkel wirst der erste sein, der sie benutzt.«
    »Nein!«
    »Das werden wir sehen.«
    Philippa hatte an diesem Abend viel Stoff zum Nachdenken. Sie zog sich das fadenscheinige Kleid über den Kopf und legte es sorgfältig über die Stuhllehne, als sie Dienwalds leise Stimme vernahm. »Zieh es wieder an! Ich will mich nicht hier mit dir vergnügen. Du kannst mich in meinem Bett wärmen.«
    »Ich bin nicht Eure Geliebte! Geht wieder, Dienwald!«
    »Ich habe heute abend schon eine Frau gehabt. Ich bin also nicht scharf auf dich, auch wenn du schön weich und sehr bereitwillig bist. Komm jetzt!«
    Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit in der Kammer gewöhnt, so daß sie ihn jetzt sah. Er streckte die Hand nach ihr aus. Die splitternackte Philippa griff nach dem Kleid und schlüpfte wieder hinein. Im nächsten Augenblick nahm er sie an die Hand und zog sie mit sich.
    Im großen Saal waren noch ein Dutzend Leute wach, während etwa 40 andere schon auf den Strohsäcken entlang der Wand schliefen. Alle, die noch wach waren, sahen sie. Aber keiner sagte etwas. Und keiner rief dem Herrn einen obszönen Rat zu.
    Sie versuchte sich freizumachen, aber es gelang ihr nicht. Er runzelte die Stirn und sagte: »Heute trage ich dich nicht. Du kommst freiwillig, oder ich ziehe dich an den Haaren mit.«
    »Dafür werdet Ihr mir büßen, Dienwald, ganz bestimmt. Ich schicke eine Botschaft an meinen lieben Vetter Sir Walter - ja, und ich schreibe ihm, was für ein grausamer Wilder Ihr seid, ein Barbar, ein...«
    »Schreib deinem Vetter aber bitte nicht, daß ich unschuldigen Jungfrauen Gewalt antue! Nein, tu das nicht, so lieb es dir auch wäre, wenn ich dich einfach nähme.« Erst jetzt merkte sie, daß er mehr Bier als sonst getrunken hatte. Er bewegte sich sehr vorsichtig. Sie sollte nicht merken, wie voll er war. Doch sie hatte keine Angst vor ihm. Sie wußte ja meist im voraus, was er anstellen würde.
    Im Schlafzimmer schob Dienwald sie wie üblich aufs Bett. »Jetzt kannst du dir das Kleid ausziehen. Es beleidigt meine Augen. Hast du denn noch nichts für dich genäht?«
    Sie sah zu ihm auf, ohne sich zu rühren. Sie wollte sich ihre Kräfte noch aufsparen. »Ich habe Euch einen Waffenrock angefertigt. Er liegt unten in meiner Kammer.«
    »Bist du wirklich damit fertig geworden? Ich dachte schon, du hättest ihn aus lauter Wut auf mich zerrissen.«
    »Vielleicht hätte ich es tun sollen.« Sie rutschte an die andere Seite des Bettes. »Ihr habt zu viel Bier getrunken.«
    »Philippa«, sagte er leise, »es ist nichts mehr da, was du anziehen könntest. Also achte auch auf das eine Kleid, das du hast! Sonst stehst du nackt da. Ja, ich habe mehr als sonst getrunken. Na und? Zieh jetzt das Kleid aus!«
    »Erst müßt Ihr die Kerze löschen.«
    »Gut.« Er löschte die Kerze. Durch ein Fenster kam Mondschein herein und breitete einen silbernen Streifen über das Bett. Sie konnte sich nicht länger weigern. Philippa zog das Kleid aus und schlüpfte unter die einzige Decke.
    »Jetzt ist der Lenz gekommen«, sagte Dienwald, und sie wußte, daß er sich auszog. Seine Stimme wurde tiefer und leiser, gleichzeitig nachdenklich und zerstreut und hörte sich nicht mehr betrunken an. »So nennen wir das hier. Der Lenz! Meine Großmutter hat mir viel vom Lenz erzählt, als ich noch ein Knabe war. Sie hat mir gesagt, daß die Menschen diese Zeitspanne schon seit vielen Jahren so nannten, als das Land noch von Priestern regiert wurde und alle die ewige Kraft des Frühlings, seine immerwährende Rückkehr anbeteten. Sie sprach von dem Weizen, der emporschießt, dem goldenen Glanz der Sonne entgegen, während er zur selben Zeit die

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