Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
und kein gewöhnliches Mädchen war, konnte und durfte er es nicht riskieren, ihr die Jungfernschaft zu rauben. Die Folgen lagen auf der Hand. Nein, so dumm war er nun doch nicht.
    Ein Schrei seines Sohnes riß ihn aus seinem Gedankengang. Es war an der Zisterne neben der Webstube. Und dann hörte er Philippa brüllen: »Halt still, oder ich reiß' dir das Ohr ab! Edmund, du sollst stillhalten!«
    Was machte sie jetzt schon wieder?
    »Du widerlicher kleiner Bengel! Halt still, oder ich hau' dir eine runter!«
    Als Dienwald um die Ecke der Webstube bog, sah er, wie Philippa Edmund am Arm hielt und einen Eimer Wasser über ihn ausschüttete. Dann griff sie schnell nach einem Stück Seife und schrubbte den nackten Jungen mit bemerkenswerter Kraft ab. Edmund sträubte sich, schlug um sich und schrie verzweifelt. Aber er konnte sich nicht losreißen.
    Doch so einfach kam Philippa auch nicht davon. Sie war bereits selber pitschnaß, und ihre Haare flogen ihr wild um den Kopf. Das ausgefranste Kleid klebte ihr an den Brüsten. Unentwegt schüttete sie Wasser über Edmund aus, und beide standen in einer immer größer werdenden Lache von Schmutzwasser.
    Dienwald sah, wie Philippa Edmund an sich zog und ihn einseifte - das Gesicht, die Haare, sogar die Ellbogen. Edmund beklagte sich kreischend, daß ihm die Seife in den Augen brenne. Doch sie blieb unbeirrbar: »Edmund, hör auf, dich zu wehren! Es geht dir besser, wenn du still hältst.«
    Edmund schrie weiter wie am Spieß.
    Dienwald trat näher, hielt sich jedoch außerhalb der Wasserlache. Die Vorübergehenden zollten dem Schauspiel kaum Aufmerksamkeit. Allein Pater Cramble sah, die Arme vor der Brust gekreuzt, mit frommer Miene befriedigt zu. Wie immer in der Nähe Philippas, quiekte das Schwein Tupper wie besessen.
    Dienwald bewahrte Stillschweigen. Nun spülte Philippa mit einem weiteren Eimer Wasser Edmund die Seife ab. Dann hüllte sie ihn in ein großes Handtuch - es mußte neugewebt worden sein -hob ihn aus der Schmutzlache und rubbelte ihn trocken.
    Danach setzte sie ihn in das Handtuch gehüllt auf einer Fichtenplanke ab und ließ sich vor ihm auf die Knie nieder. »Hör mir zu, du elender kleiner Schreihals! Du hast es hinter dir und bist endlich mal sauber. Jetzt ziehst du dir deine neuen Kleider an! Und dann gehst du zum Unterricht zu Pater Cramble!«
    Unter dem Handtuch kam gedämpft Edmunds schrille Stimme hervor. »Ich hasse dich, du Maibaum!«
    »Von mir aus! Wenigstens bist du nun sauber, und ich muß nicht mehr mitansehen, wie du dir mit dreckigen Fingern und Nägeln das Essen in den Mund stopfst. Geh jetzt!«
    Edmund steckte den Kopf aus dem Handtuch und sah Philippa böse an. Er wollte gerade das Feld räumen, als er Dienwald erblickte. »Vater, hilf mir! Guck mal, was die Hexe mit mir gemacht hat!« Und so schrie er in einem fort, während Dienwald sich fragte, wie es ihr gelungen war, Pater Cramble auf ihre Seite zu ziehen.
    Edmund vollführte schreiend einen wütenden Tanz auf nunmehr sauberen Füßen. Schließlich brachte ihn Dienwald mit einem Machtwort zum Schweigen, obwohl er Philippas Vorgehen nicht gutheißen konnte. »Edmund, du keifst wie deine Mutter. Ich höre das ungern. Du gehst jetzt mit Pater Cramble und ziehst deine neuen Sachen an. Ich hatte ja keine Ahnung, daß du ein so dreckiger kleiner Strolch geworden bist. Halt deine Klappe, oder du kriegst meine Hand zu spüren!«
    Mit gesenktem Kopf, das Handtuch wie eine römische Toga um den Körper geschlungen, folgte Edmund stumm dem Pater.
    »Danke«, sagte Philippa zu Dienwald und brachte ihre Haare wieder in Ordnung.
    Er trat auf sie zu. »Halte still, Dirne!«
    Sie tat es, und er schnürte ihr die Haare hinten wieder mit dem Lederband fest. Mißbilligend sah er, wie schmutzig das rohe Leder-stück war. Sie brauchte ein anständiges Band, ein buntes Seidenband, das zu ihrer Haarfarbe besser paßte.
    »Du siehst noch schlimmer aus als Edmund. Viel schlimmer. Wie ein Drecklappen. Tu was dagegen!« Nachdem Dienwald so seinen Gefühlen den gebührenden Ausdruck verliehen hatte, wandte er sich ab. Gleich darauf hörte er hinter sich ein verdächtiges Geräusch. Aber es war schon zu spät. Der halbvolle Wassereimer traf ihn mitten zwischen den Schulterblättern und brachte ihn zum Straucheln. Er fiel auf eine Ziege. Die Ziege scheute zurück und trat Dienwald gegen den Oberschenkel. Er schrie auf, griff ans Bein, verlor das Gleichgewicht und plumpste seitwärts in die tiefste Stelle der

Weitere Kostenlose Bücher