Die Stimme des Daemons
mein Freund.«
»Okay«, führte Zack seinen Gedanken weiter, »angenommen, es ging jemandem eigentlich um dich. Dann wäre es ein guter Weg gewesen, an dich heranzukommen, ohne wie ein Groupie zu wirken, wenn man sich zuerst mit Davey anfreundet.«
Sam erkannte, worauf Zack hinauswollte. »Indem man in das Beleuchtungsteam hineinkam.«
Zack nickte. »Wenn wir die gedruckten Programme von euren Aufführungen auftreiben könnten – würden wir da alle Leute aufgelistet finden, die hinter den Kulissen mitgearbeitet haben?«
»Da kannst du sicher sein. Es war wichtig, dass jeder seinen Namen da drin wiederfand – auch wenn seine Rolle noch so klein war.«
Zack zeigte mit einer Kopfbewegung auf das Büro in der Ecke. »Es wird Zeit, dass du wieder deinen Charme spielen lässt.«
Sam verdrehte die Augen. »Okay, aber zuerst musst du mir einen Gefallen tun.«
66
Nancy drehte sich mit ihrem Sessel herum, und ihre Augen funkelten verschmitzt, als Sam sich über die Bücherstapel beugte, die ihr Büro wie Wachtürme umgaben.
»Ich hätte noch eine Frage«, sagte Sam.
»Bitte, gern«, hauchte sie.
»Haben Sie vielleicht noch Kopien der Programme von einigen der Stücke, in denen ich mitgespielt habe?«
Nancy sah ihn bedauernd an. »Nein, tut mir leid. Das wäre nett, wenn man sie wieder mal durchblättern könnte, nicht wahr? Niemand denkt daran, dass man sich gern an manche Dinge zurückerinnert. Man ist sich einfach nicht bewusst, wie kostbar der Augenblick ist.«
Sam gab sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen.
»Es tut mir leid«, sagte Nancy seufzend. »Vielleicht hat sie einer Ihrer Klassenkameraden aufbewahrt. Sie waren sicher etwas Besonderes.«
Sam wandte sich zum Gehen und stieß gegen Zack, der das Gleichgewicht verlor und gegen eine Wand von
Büchern stieß. Ein Stapel nach dem anderen stürzte um, bis der ganze Boden mit Jahrbüchern übersät war. Nancy schrie entsetzt auf und versuchte auf allen vieren zu verhindern, dass noch mehr Stapel umstürzten, die bedrohlich schwankten.
»Es tut mir so leid«, sagte Zack. »Ich helfe Ihnen.«
»Raus hier!«, rief Nancy mit tiefrotem Gesicht. »Ich mach das selbst.«
»Ich wollte ja nur …« Zack hielt inne, als hätte ihm Nancys eisiger Blick die Zunge eingefroren.
Sam nahm ihn am Ellbogen und zog ihn mit sich.
Zack und Sam eilten aus dem Schulhaus und über den Parkplatz zum Mercedes mit seinen stark verschmutzten Nummernschildern des Bundesstaates Oregon.
»Das war grausam«, meinte Zack.
»Stimmt.« Sam zog das Jahrbuch von 1984 unter seinem T-Shirt hervor. »Aber ich habe das hier einem Freund versprochen.« Er lächelte. »Einem Freund, der sicher nichts von früher weggeworfen hat.«
67
Sam wies Zack den Weg über die Burnside Bridge und weiter zu dem leeren Parkplatz, wo er am Abend zuvor
seinen Wagen abgestellt hatte. Von seinem Jeep war nur noch ein schwarzes Gerippe übrig. Irgendjemand hatte die Räder, die Motorhaube und die Windschutzscheibe abgenommen und den Rest angezündet.
Sam ging hin und legte die Hand auf den verbeulten hinteren Kotflügel. Er fühlte sich noch warm an. Damit war auch das Letzte, was er besessen hatte, weg.
Zack trat zu ihm. »Ist das …«
»Nicht einmal wert, dass man ihn stiehlt.«
Sam wandte sich von dem schwelenden Haufen ab und ging zur Brücke.
Zack schloss sich ihm an. »Besser, ich begleite dich da hinunter. Dein Freund ist vielleicht nicht so gut auf dich zu sprechen, nachdem du ihn angezündet hast.«
Sam nahm das Angebot an, und die beiden Männer gingen schweigend zur Brücke.
Oben auf der Treppe blieb Sam stehen und blickte über den Fluss. Der Himmel begann sich orange zu verfärben, während die Sonne hinter eine dünne Wolke schlüpfte, die langsam in Richtung Meer wanderte.
»Als Jungen sind wir oft hierher gekommen«, erzählte Sam. »Wir haben Pot geraucht, Bier getrunken und Unsinn gemacht. Die Bullen haben sich nicht darum gekümmert, solange wir hier am Ufer blieben.« Er blickte in die Dunkelheit unter der Brücke. »Ich frage mich, ob sie es mit den Leuten da unten genauso machen. Ob die Bullen sie in Ruhe lassen, solange die Touristen am Westufer nicht gestört werden.«
»Wahrscheinlich«, meinte Zack achselzuckend. »Irgendwo müssen sie ja leben.«
»Wieder so eine Gruppenbildung? Wir halten uns da auf, wo wir uns wohlfühlen, wo wir dazugehören.«
»Oder Ghettobildung«, entgegnete Zack. »Wir halten uns an dem einzigen Ort auf, wo uns die Bullen
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