Die Stimme des Feuers
dich der Wolf von Cornwall begrüßen!«
Königin Eleanor holte vor Freude tief Luft. »Graelam! Ihr seht besser aus als mein armer Gatte! Ich fürchte, der Aufenthalt in fremden Ländern hat sein Haar schon ergrauen lassen!«
Edwards durchdringende blauen Augen richteten sich auf die zierliche Frau an Graelams Seite. »Aber wer ist das denn, Mylord?«
»Gestattet, Sire, daß ich Euch meine Frau Kassia de Moreton vorstelle.«
»Mylady«, sagte Edward freundlich und nahm ihre schmale Hand in seine große.
»Sire«, sagte Kassia und knickste. Dann entfuhr es ihr: »Wie groß Ihr seid! Ich habe meinen Mann immer für sehr groß gehalten, aber Ihr könnt noch über ihn hinwegsehen!«
Eleanor lachte. »Mir hat er oft gesagt, daß er so hochgewachsen ist, um alle seine Edelleute einzuschüchtern. Edwards Onkel, der Herzog von Cornwall, hat uns von Euch erzählt, Kassia. Eine romantische und dramatische Geschichte. Ich möchte von Euch hören, wie Ihr den Wolf von Cornwall gezähmt habt.«
Der Nachmittag verging, und abends fand das große Bankett statt. Zu dieser Zeit war Kassia schon todmüde. »Die Königin ist sehr nett«, sagte sie zu Graelam.
»Ja«, sagte Graelam. »Es ist auch die einzige königliche Liebesheirat, von der ich je gehört habe. Im Heiligen Land wurde Edward von einem Mörder mit einem vergifteten Dolch angefallen. Edward tötete den Mann. Aber danach brach er zusammen. Sie saugte das Gift aus der Armwunde und rettete ihm das Leben. Ich war nicht dabei, aber Jerval und Chandra.«
Sie spielte mit ihrem Kelch. »Du kanntest Lady Chandra, bevor sie Sir Jerval heiratete?«
Graelam betrachtete ihr Profil. »Ja«, sagte er knapp.
»War sie es, die dich in die Schulter stach?«
»Sie hat mich nicht gestochen. Sie hat den Dolch aus einer weiten Entfernung nach mir geworfen. Wäre sie nicht so wütend gewesen und hätte mich von nahem angegriffen, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich tot.«
»Wie...«, begann Kassia, aber da hatte sich Graelam wieder seinem Nachbarn Sir John de Valance zugewandt. Bis sie in ihr Haus zurückkehrten, fand sie keine Gelegenheit mehr, mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Zu Kassias Freude erwartete Margaret sie mit gewürztem Glühwein im Zimmer.
Graelam reckte sich. »Ich bin froh, daß Edward wieder in der Heimat ist. Morgen gehen wir zu ihm in den Tower. Dann wirst du mit den anderen Damen besser bekannt werden.«
Er hatte Lady Joanna gesehen, aber eine Begegnung vermieden.
»Graelam, würdest du mir von Lady Chandra erzählen?«
Er setzte sich achselzuckend auf einen hochlehnigen Stuhl. »Da ist nicht viel zu erzählen, aber wenn du willst... Ich hatte sie einmal heiraten wollen. Doch ihr Vater, ein Markgraf ... nun, ein Markgraf ist ein Edelmann, dessen Burgen die englische Grenze gegen die Waliser schützen. Jedenfalls lehnte Lord Richard mich ab. Mit List und Tücke gelang es mir, ihre Burg Croyland einzunehmen und Chandra gefangenzunehmen. Sie hätte mich auch geheiratet, denn ich hatte außerdem ihren jüngeren Bruder erwischt. Doch Jerval kam rechtzeitig dazwischen. Ich wurde verjagt und konnte noch von Glück sagen, daß ich mit der Schulterwunde davonkam. Chandras Vater zwang sie dann, Jerval zu heiraten, den Sohn eines seiner engsten Freunde.«
Sie sah ihn an. »Aber ihr seid doch alle befreundet!«
»Ja, jetzt. Unsere Erlebnisse im Heiligen Land führten dazu, daß wir unsere ... Streitigkeiten beendeten.«
Kassia fummelte an den Knöpfen ihres Kleides. »Hast du sie geliebt?«
Graelam schaute in die glühenden Kohlen des Kamins. »Das ist schon so lange her. Nein, geliebt habe ich sie nicht, aber ich wollte sie haben. Sie ist anders als alle Frauen, die ich kannte. Sie ist so ehrenhaft und treu wie ein Mann. Sie spricht immer die Wahrheit. Ach, das ist selten bei einer Frau!«
Kassie zog scharf den Atem ein, ging langsam auf die andere Seite des Zimmers und begann sich auszuziehen. Er sah ihr aus verkniffenen Augen zu. Bei ihm regten sich Gewissensbisse. Er hatte ihr zwar die Wahrheit über Chandra gesagt, aber einiges verschwiegen. Bevor sie sich in Jerval verliebt hatte, war sie unbeugsamer gewesen als der rücksichtsloseste Mann. Kompromisse hatte sie nicht gekannt. Nach Graelams Meinung mußte Jerval auch jetzt noch einen ständigen Kampf mit ihr führen, um die Oberhand zu behalten.
Komisch, dachte er, als ich Chandra jetzt wiedersah, habe ich sie nicht mehr begehrt. Doch bei Kassia genügte schon das Aufblitzen eines Streifens weicher,
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