Die Stimme des Feuers
Kaminfeuer. »Lady Kassia?« Eine mollige, grauhaarige Frau trat auf sie zu und machte einen tiefen Knicks. »Ich bin Margaret, Mylady. Der Herzog trug mir auf, mich um Euch zu kümmern.«
Margaret führte sie, gluckenhaft wie Etta, in ein bequemes Zimmer im Obergeschoß, wo ebenfalls ein Kaminfeuer brannte. »Für Euch und Euren Lord«, sagte Margaret.
Auf dem Steinfußboden lag frisches Schilfrohr, und an einer Wand hing ein farbenprächtiger Gobelin. Etwas erhöht thronte ein großes Bett, und um einen kleinen runden Tisch standen mehrere hochlehnige Stühle.
»Ich lasse Euch gleich von den Mädchen heißes Wasser fürs Bad bringen«, fuhr Margaret fort. »Mein Ehemann Sarn wird dem Lord bei den Pferden und Wagen behilflich sein. Ihr braucht Euch um nichts zu kümmern, Mylady.« Als Margaret mit einem weiteren Knicks aus dem Zimmer ging, sagte sie noch: »Zum Begrüßungsmahl hat Euch der Herzog ein ganzes Schwein geschickt. Wenn Ihr
Euch etwas ausgeruht habt, können wir das Abendessen servieren.«
Kassia saß bis zum Kinn im herrlich heißen Wasser des hölzernen Badezubers, als Graelam hereinkam.
Sie vergaß ihr Zerwürfnis, vergaß, daß sie nackt war, und sagte beglückt: »Der Herzog muß der rücksichtsvollste Mann in ganz England sein! Ich brauche mich nicht mal um das Essen zu kümmern! Und dieses Zimmer ist so bequem und warm! War alles nach deinen Wünschen, Mylord?«
Er lächelte müde. »Ja, es ist alles in bester Ordnung. Ich gebe dir noch fünf Minuten in der Wanne, Kassia.«
Sie war bald abgetrocknet und band sich dann ein kleines Leinenhandtuch um das frischgewaschene Haar. Mit einem Blick auf das Badewasser sagte sie: »Ich war sehr verschmutzt, Mylord.«
»Ich habe schon sauberes Wasser für mich bestellt«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
Sie kämmte sich vor dem Feuer die Haare, als Graelam aus dem frischen Badezuber sagte: »Das Essen nehmen wir heute hier ein, und morgen gehen wir zum Tower. Es ist lange her, daß ich zum letztenmal in London war. Viel hat sich geändert. Wir werden alles besichtigen, was du wünschst.«
»Danke«, sagte sie leise. »Kann ich dir helfen, Mylord?«
»Bring mir ein Handtuch!« sagte er und stand auf.
Gegen ihren Willen betrachtete sie seinen Körper. Wie gern hätte sie in den dichten schwarzen Haaren an seiner Brust gegraben und ihm den samtglatten Rücken gestreichelt! Warum mußte er sie auch die Freuden der Liebe lehren! Ihr Blick fiel tiefer, und Hitze strömte in ihren Schoß. Sie zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen. Er haßte sie ja! Doch sie wußte, daß er ihren begehrlichen Blick gesehen hatte. Sie hätte sich dafür selber einen Tritt geben können.
Plötzlich sagte er: »Ich werde dir die süßen Schenkel spreizen und dich so lange liebkosen, bis du vor Entzücken laut schreist, wenn du mir endlich die Wahrheit gestehst.«
Sie war versucht, ihn anzuschreien und ihm ihre Unschuld zu beteuern. Aber es hatte ja keinen Zweck. Warum sagte sie ihm nicht einfach das, was er hören wollte? Der Gedanke ließ sie erschauern, denn sie ahnte, was folgen würde. Vielleicht verzieh er ihr, aber danach würde er nie mehr Vertrauen zu ihr haben. Allerdings würde wenigstens eine Art von Frieden einkehren. Aus dem Augenwinkel sah sie ihn nackt dastehen. Sein Glied war steif aufgerichtet. Sicher würde er nun Befriedigung bei einer anderen Frau suchen.
Es klopfte. »Herein!« rief sie mit hoher, schriller Stimme. Zwei Bedienerinnen kamen mit Tabletts herein. Sie schauten sofort auf Graelam, der gerade träge nach seinem Schlafrock griff. Die Frauen betrachteten ihn ungeniert. Würde er eine von ihnen nehmen? Kassia knirschte mit den Zähnen, als eine der beiden Frauen, eine ziemlich hübsche mit dichtem, schwarzem Haar und vollen Brüsten, Graelam mit eindeutigen Blicken eine Aufforderung gab.
»Ihr könnt jetzt gehen«, sagte sie scharf und trat vor ihren Mann.
»Ein schönes Beispiel weiblicher Eifersucht, Mylady«, sagte er.
Sie schüttelte den Kopf.
»Komisch«, sagte er, »aber ich hatte den Eindruck, du wolltest mir gerade etwas sehr Interessantes sagen, als die beiden Mädchen uns unterbrachen.«
Sie schwieg. Graelam beobachtete gespannt ihren Gesichtsausdruck, der deutlich ihre wechselnden Stimmungen widerspiegelte. Verschließt ihr nur der Stolz den Mund? dachte er.
Nach einer Weile erinnerte er sich an Drakes Worte und sagte: »Du bist noch sehr jung, Kassia. Junge Leute machen oft Fehler. Und danach fällt es ihnen schwer, sie
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