Die Stimme des Feuers
Dämon über die Zugbrücke ritt. »Du mußt tief einatmen, Kassia«, sagte er.
Er ritt zu den Klippen, stieg ab und band Dämon an einem niedrigen Wacholderstrauch fest. Dann setzte er sich, den Rücken an eine schiefstehende Kiefer gelehnt, und nahm Kassia auf den Schoß. »Nun kannst du allmählich daran denken, wieder gesund zu werden«, sagte er.
»Ich schäme mich so«, sagte sie.
»Ich war auch krank. Aber wir haben es beide überlebt. Jetzt will ich, daß du stilliegst und die frische Luft tief einatmest.«
Sie schmiegte sich vertrauensvoll an ihn. Er gab ihr einen leichten Kuß auf die Stirn und schloß die Augen.
»Mylord!«
Graelam schlug die Augen auf. Vor ihm stand Guy. »Es wird spät«, sagte Guy leise, da Kassia noch schlief.
»Ich komme bald, Guy.«
»Geht es ihr wieder gut?«
»Ja, Gott sei Dank. Hast du mit dem Koch gesprochen? Wie heißt der Schuft?«
»Er heißt Dayken. Ich habe ihm mit der stumpfen Seite des Schwerts den fetten Hintern versohlt! Er schwört, das Fleisch sei frisch gewesen. Ich verstehe das nicht. Es sieht beinahe so aus, als ob...«
»Als ob was?«
»Nichts, Mylord.«
»Wenn du etwas zu sagen hast, dann sage es, Guy!«
Guy kratzte sich am Ohr. »Es gefällt mir nicht, daß nur Ihr beide krank wurdet. Eine Frau läßt sich durch Eifersucht zu den übelsten Taten hinreißen.«
»Und wer ist diese Frau?« fragte Graelam.
»Blanche nicht, dessen bin ich sicher.« Guy hatte mit ihr gesprochen und den Eindruck gewonnen, daß sie unschuldig war. »Alle wußten, daß Ihr gestern nacht mit Eurer Gattin schlafen wolltet. Es muß nicht unbedingt eine Frau gewesen sein.«
Kassia bewegte sich. »Mylord?« flüsterte sie verschlafen.
»Es ist nichts, Kassia«, sagte Graelam. »Wie fühlst du dich?«
»Ich habe Hunger«, sagte sie lächelnd.
»Ausgezeichnet. Deine Zofe wartet sicherlich schon mit einem Topf Brühe auf dich. Keine Magenkrämpfe mehr?«
Sie erblickte Guy, wurde rot und schüttelte dann den Kopf.
Die Decken fielen auseinander, und Guy erblickte die weiße Rundung ihrer Brust.
Rasch sagte er: »Ich hole Dämon, Mylord« und ging zum Pferd seines Herrn.
12
Am Nachmittag war der Himmel bedeckt, und vom Meer blies ein starker Wind. Kassia sah zu, wie Graelam mit nacktem Oberkörper gegen einen seiner Männer zum Ringkampf antrat. Sein Gegner war ein großer Mann, stark wie eine stämmige Eiche.
Kassia trat näher. Plötzlich stürmte Graelam blitzschnell mit einem wilden Schrei vor, stellte seinem Gegner ein Bein und zwang ihn zu Boden. Dann warf er sich auf ihn und drückte ihm beide Schultern auf die Erde.
Die Männer jubelten. Graelam stand auf und reichte dem Unterlegenen die Hand. Kassia winkte ihm schüchtern und rief: »Wir haben einen Besucher, Mylord.«
Graelam sprach einige Worte mit seinen Männern. Dann ging er zu seiner Frau, wobei er die Schultermuskeln spielen ließ. Er betrachtete Kassia eingehend, fand aber an ihr keine Anzeichen von Krankheit mehr. Zufrieden fragte er: »Wer ist gekommen, Kassia?«
»Blanches Sohn, Mylord.«
Graelam hatte gar nicht mehr an den Knaben gedacht. »Wasch mich erst mal, Kassia!« sagte er und ging mit ihr zu dem Brunnen im inneren Burghof.
Dort beugte er sich vor, und sie goß ihm aus dem Eimer Wasser über Kopf und Rücken. Er schüttelte sich wie ein Hund und legte dann Hemd und Waffenrock an. Sie hatte die ganze Zeit auf seine nackte Brust gestarrt und sich gefragt, warum ihr Herz schneller schlug, wenn sie daran dachte, wie sie mit den Fingern in den dunkel gelockten Brusthaaren spielen würde.
Graelam wunderte sich über ihr plötzliches Erröten.
Sie gingen in den Saal, wo sich Blanche mit drei von der Reise staubigen und müde aussehenden Männern unterhielt. Ein schlanker, etwa achtjähriger Knabe klammerte sich an einen der Männer.
»Mylord«, rief Blanche, »mein Sohn ist eingetroffen! Evian, das ist Lord Graelam de Moreton, dein Onkel.«
»Er ist ein bißchen scheu, Mylord«, sagte der eine Mann mit nachsichtigem Lächeln und schob den Knaben auf Graelam zu. »Ich bin Louis aus dem Haushalt von Lord Robert in der Normandie.«
»Ich heiße Euch willkommen«, sagte Graelam, »und danke Euch, daß Ihr den Knaben sicher abgeliefert habt.« Dann hockte er sich hin, so daß er dem Blick des Jungen aus gleicher Höhe begegnen konnte. Er hatte die dunklen Augen und das dunkle Haar seiner Mutter. »Du wirst mein Knappe sein«, sagte Graelam. »Wenn du deinen Dienst gut versiehst, werde ich dich
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