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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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wohl, kleines Hühnchen.« Damit verließ er die Zelle durch die Eichentür, die er hinter sich zuzog. Sie lehnte sich an die Wand. Die Ratten kamen näher. Dann verlöschte die Kerze, und die Zelle versank in schwarzes Dunkel. Sie zog die Beine an die Brust und fing an, leise zu weinen.
    Schwere Schritte näherten sich. Dann wurde mit einem Ruck die Tür zum Verlies aufgerissen. Eine Fackel erfüllte die Dunkelheit mit blendendem Licht. Kassia hatte gebetet, daß Etta zu ihr kommen würde, aber ihr Gebet war nicht erhört worden. Sie erkannte die Umrisse eines Mannes und dachte an Sir Walter.
    »Kassia!«
    Sie bekam einen Schreck und drängte sich an die schleimige Wand. Nach einer Weile fragte sie: »Wie kommst du denn her?«
    Graelam lachte rauh. »Ich habe meine Männer zur Eile angetrieben, weil ich Sehnsucht nach dir hatte.« Er kam auf sie zu, kniete sich hin und schloß die Handschelle auf. »Mußte dein Liebhaber dich anketten? Konnte nicht einmal er dir vertrauen?«
    Stumm massierte sich Kassia das zerschrammte Handgelenk. Graelam packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Sieh mich an, verdammt noch mal!« Wut sprühte aus seinen dunklen Augen.
    »Ich sehe dich ja an«, sagte sie.
    »Dienwald de Fortenberry also! Hat er es wenigstens zu schätzen gewußt, daß du ihn zur Tarnung Edmund genannt hast? Es muß eine große Überraschung für dich gewesen sein, ihn wiederzusehen. Leider war Sir Walter so dumm, daß es ihm nicht einfiel, meine sanfte, zerbrechliche Lady könnte den Mut aufbringen, ihren Liebhaber zu befreien. Jetzt ist Sir Walter natürlich untröstlich.«
    »Dienwald de Fortenberry ist nicht mein Liebhaber«, sagte sie ohne Hoffnung.
    Der Griff um ihre Schultern wurde härter. Ich bin ein verdammter Narr! dachte er. Er war auf dem Rückweg nach Wolffeton wie ein Besessener geritten, nur von dem Gedanken an Kassia beherrscht. Abrupt ließ er sie los. »Komm«, sagte er. »Ich will nicht, daß du dir hier den Tod holst.«
    Sie kam torkelnd auf die Beine und zog den Mantel eng um sich. In der schmalen Tür stand Sir Walter. Haß verzerrte seine Züge. Sie sagte laut und deutlich: »Hat Sir Walter dir gesagt, wie er Dienwald de Fortenberry überwältigt hat? Hat er dir gesagt, daß er ihn gemein mißhandelt hat, als Dienwald gefesselt war und sich nicht verteidigen konnte? Hat er dir gesagt, daß er fest damit gerechnet hat, du würdest de Fortenberry töten und ihn dann dafür belohnen, weil er ihn hierherverschleppt hat?«
    In kaltem Ton antwortete Graelam: »Mit Sir Walter spreche ich noch. Und jetzt, Mylady, kommst du mit mir.«
    Er wandte sich kurz ab und sagte etwas zu Sir Walter. Der nickte und zog sich zurück.
    Kassia beteuerte mit lauter Stimme: »Ich habe dich nicht betrogen, Graelam. Ich habe dich noch nie betrogen.« Sie sah, wie Wut ihn verzehrte, warf den Kopf in den Nacken und reckte das Kinn. »Willst du mich jetzt töten? So wie du Dienwald getötet hättest?«
    Er sah auf dieses stolze Kinn, das sie so hoch trug, und wandte sich schnell ab.
    »Es stimmt, daß ich ihn von den Ketten losgemacht habe, aber nur, weil ich ihm unnötige Schmerzen ersparen wollte. Ich habe mich darauf verlassen, daß er dir die Wahrheit sagen würde, daß es nämlich Blanche war, die ihm die Halskette gab, damit er sie von meiner Gegenwart befreite. Aber er wollte nicht hierbleiben. Er behauptete, du würdest ihn so oder so umbringen. Und er wollte noch nicht sterben.«
    »Und dafür hat er dich hier angekettet, bis ich dich finde. Ein wahrer Edelmann!«
    »Hatte er mit seiner Behauptung recht? Hättest du ihn umgebracht?«
    »Komm, Kassia!« sagte er und ging zur Tür.
    Sie folgte ihm schweigend und wie betäubt. Als sie neben ihrem Mann durch den großen Saal ging, trat totales Schweigen ein. Aber sie fühlte keine Angst. Sie fühlte nichts. Jetzt war alles vorbei.
    Nun erst sah sie die Spuren der Erschöpfung in seinem Gesicht. Sein Kettenhemd und der Waffenrock waren schmutzverkrustet.
    Als sie im Schlafzimmer waren, zollte er ihr keine Beachtung. Evian half ihm, die Rüstung abzulegen. Dann entließ er den Knaben, zog sich die übrigen Kleider aus und sank nackt auf den hochlehnigen Sessel. Noch immer sprach er kein Wort.
    Zwei Bedienerinnen kamen herein und gossen heißes Wasser in den Holzbadezuber. Graelam stieg in die Wanne. Doch plötzlich fühlte er sich alt und sehr müde. Sein Vater hatte recht gehabt. Der Waffenschmied Drake hatte recht. Er war verblendet gewesen, als er an den

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