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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ritterlich, einen gefesselten Mann zu schlagen, Sir Walter?«
    »Es ist ritterlich, Ungeziefer zu zertreten, Mylady.«
    Sie richtete sich zu voller Höhe auf. »Ihr habt diesen Mann Dienwald de Fortenberry genannt. Ich erinnere mich, daß Mylord gesagt hat, er habe Wolffeton nie bedroht. Warum habt Ihr ihn hergeschleppt, Sir Walter?«
    Jetzt könnte ich sie vor versammelter Mannschaft anklagen, dachte Sir Walter. Doch rasch faßte er den Entschluß, es nicht zu tun. Das stolze kleine Biest war bei den Männern und unter der Dienerschaft beliebt. Er war sich daher nicht sicher, ob sie zu ihm halten würden. O nein, er würde Graelams Rückkehr abwarten. Graelam würde rasend vor Wut den elenden de Fortenberry an seiner Stelle töten und ihm, Walter, dankbar sein, daß er ihm den Hurensohn in seine Hände gegeben hatte. Sir Walters Brust dehnte sich in froher Erwartung. Sicher würde Graelam ihm Land und eine eigene Burg zusprechen. Land!
    In völliger Ruhe erwiderte er: »Ich habe ihn hergebracht, um ihn bis zu Lord Graelams Rückkehr festzusetzen.«
    Erleichterung überkam Kassia. Dienwald de Fortenberry würde Graelam sagen, daß Blanche es gewesen war, die ihn damals gekauft hatte. Endlich würde Graelam die Wahrheit erfahren. Endlich würde er ihr Glauben schenken.
    Dienwald spürte, daß man ihm einige Rippen gebrochen hatte. Einen Moment begegnete er Kassias besorgtem Blick. Dann durchfuhren ihn reißende Schmerzen, und er brach auf dem Pflaster zusammen.
    Sir Walter befahl den Männern, de Fortenberry ins Verlies zu wer-fen. Wie erstarrt hörte es Kassia, und ihre Fingernägel gruben sich tief in die Handflächen.
    »Sir Walter«, sagte sie mit lauter, ruhiger Stimme, »ich erwarte, daß Dienwald de Fortenberry am Leben ist, wenn mein Gatte zurückkehrt.«
    Glaubte sie tatsächlich, so viel Macht über Graelam auszuüben? Sir Walter konnte sich nicht vorstellen, daß ein Krieger von seinem Ruf seine Frau heil davonkommen lassen würde, wenn er sie mit ihrem Liebhaber und Fluchthelfer zusammen sah.
    Kassia begab sich unverzüglich in ihr Zimmer, schloß die Tür, setzte sich und dachte nach.
    Beim Abendessen plauderte sie munter mit Blount und Pater Thomas. Sie spürte die Abneigung Sir Walters, merkte aber auch, wie ihn ihr gelassenes Benehmen verunsicherte. Komisch, dachte sie, aber eigentlich müßte ich mich bei ihm sogar bedanken. Nur dank seines finsteren Hasses hatte sie erfahren, daß Edmund in Wirklichkeit Dienwald de Fortenberry war.
    Es war fast Mitternacht, als Etta zu ihr ins Zimmer schlüpfte und schweigend nickte.
    »Nur ein Wachtposten?«
    »Ja, Kindchen, und der wird bald fest schlafen. Allerdings brauchte eigentlich niemand Wache zu halten. Selbst ein Heiliger könnte aus dem Verlies nicht entkommen.« Sie schauderte in der Erinnerung an den Ort.
    »Wie überrascht wird der Schurke sein, wenn Dienwald meinem Lord die Wahrheit über die Entführung berichtet!«
    Etta faßte Kassias Arm. »Müßt Ihr denn zu ihm gehen, Kindchen? Könnt Ihr nicht so lange warten, bis Lord Graelam wieder da ist?«
    »Dienwald de Fortenberry mag manches auf dem Kerbholz haben, aber mir gegenüber hat er sich anständig benommen. Hätte Blanche einen anderen Mann für die Entführung bestochen, wäre ich wahrscheinlich erst vergewaltigt und dann umgebracht worden. Er darf nicht an seinen Verletzungen sterben. Dann kann er mir nämlich nicht mehr helfen. Und ich muß vorher mit ihm sprechen. Ich muß wissen, daß er Graelam die Wahrheit gestehen wird.«
    Da wußte Etta, daß sie ihre Herrin nicht mehr umstimmen konnte. »Die Männer schlafen jetzt alle.«
    Kassia wartete, bis ihre alte Zofe weg war. Dann warf sie sich den Mantel über, sprach ein schweigendes Gebet, verließ das Zimmer und machte sich auf den Weg in den großen Saal. Das Verlies befand sich im Fundament des Südturms.
    Lautlos schlüpfte sie durch die dicke Eichentür. Sie atmete tief ein, als sie den Posten erblickte. Aber er war fest eingeschlafen. Vorsichtig nahm sie ihm die großen Eisenschlüssel aus dem Waffenrock und ließ sie in ihre Manteltasche gleiten. Die Kerze in der Hand, stieg sie die ausgetretenen Steinstufen hinab. Die Luft wurde immer schlechter. Es stank. Sie hörte Ratten umherhuschen. Mit zitternder Hand steckte sie den Schlüssel in das verrostete Schloß.
    Knarrend schwang die Tür auf. Sie trat, die Kerze hochhaltend, in die Verlieszelle. Hier stank es so fürchterlich, daß ihr beinahe übel wurde. Die Steinwände waren von

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