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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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auch alles hübsch beisammen: Dies sei das WORT, das FLEISCH ward … (gemeint war der die »Biogenese begünstigende« sogenannte Romney-MoellerEffekt); die Beweggründe, die jemanden dazu veranlaßten, die Entwicklung des Lebens im galaktischen Maßstab zu unterstützen, könnten nicht »pragmatisch«, eigennützig, nicht technischer Natur sein … denn, um so zu handeln, müsse man zuvor die Biogenese im gesamten Weltall als eine wünschenswerte und gute Erscheinung ansehen. Es sei gewissermaßen ein »kosmischer Freundlichkeitsakt«, der sich – von dieser Seite aus betrachtet – als Verkündigung (aber als wirksame, aktive, reale Folgen zeitigende Verkündigung) einer »frohen Botschaft« entpuppe, die die besondere Fähigkeit besitze, sich selbst verwirklichen zu können, ohne daß sich ihr willige Ohren zuwandten.
    Ich verließ sie – sie hatten sich derart in Hitze geredet, daß sie es nicht einmal bemerkten – und ging zurück auf mein Zimmer. Die einzige Sache, der ich vertraute, war der Romney-Moeller-Effekt. Der »Sternencode« vergrößerte die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben. Die Biogenese war gewiß auch ohne ihn möglich – allerdings in längeren Zeiträumen und vermutlich prozentual in wenigerFällen. Diese Feststellung hatte etwas Tröstliches, weil ich Wesen, die so handelten, gut begriff.
    Durfte man annehmen, daß die rein materielle, lebensfreundliche Seite des Signals völlig unabhängig, total losgelöst war von seinem Inhalt? Daß sie, außer seinem »protegierenden« Verhältnis zum Leben, gar keine Information »mit Sinn« darstellte, war unmöglich – das belegte ja der »Froschlaich«. Sollte also jener Inhalt in einer bestimmten Parallelität zu dem stehen, was sein Träger bewirkte? Ich war mir bewußt, auf welch schwankenden Boden ich mich da begab. Den Code als Botschaft zu betrachten, die auch durch ihren Inhalt »beglücken«, »Gutes tun« sollte – diese Konzeption drängte sich nunmehr von allein auf. Aber – wie es so schön bei Voltaire heißt – kümmert sich der Kapitän etwa um die Bequemlichkeit der Mäuse an Deck, wenn er dem Padischah Getreide bringt?
    Gäste aus der Außenwelt wurden bei uns nicht V.I.P.s (Very Important Persons), sondern »die FEEMS« (von »Feeble Minded«) genannt. Dieser Spitzname war gar nicht einmal wegen der allgemein verbreiteten Ansicht geprägt worden, daß alle wichtigen Personen schwach im Geiste sind, sondern einfach weil wir immer mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, wenn wir Leuten, die die wissenschaftliche Fachsprache nicht kannten, projektspezifische Probleme erklären mußten. Um ihnen plausibel zu machen, daß zwischen der »lebensfreundlichen Form« der Sternenbotschaft und ihrem »Inhalt« ein Zusammenhang bestünde – aus dem wir vorerst lediglich den »Herrn der Fliegen« abgeleitet hatten –, hatte ich mir folgenden Vergleich ausgedacht:
    Einmal angenommen, ein Setzer setzt, in Linotype, einen Absatz aus Metallettern. Dieser Absatz hat eine ganz bestimmte sprachliche Bedeutung. Darüber hinaus wäre es möglich, daß, wenn man mit einem entsprechend elastischen, zu Schwingungen fähigen Griffel über die Metallbuchstaben streicht, ein Ton entsteht, der zufällig den Wert eines harmonischen Akkords besitzt. Es ist jedoch ganz und gar unwahrscheinlich, daß sich die auf diese Weise entstehenden Töne – rein zufällig – zu den ersten Takten der Fünften Sinfonie von Beethoven fügen. Wenn das geschähe, würden wir wohl eher annehmen, die musikalischen Klänge seien nicht durch Zufall entstanden, sondern jemand habe die Buchstaben absichtlich genau so zusammengesetzt, indem er ihre Maße und die Intervalle zwischen ihnen richtig wählte. Das, was als »nebenher entstandene Klangharmonie« auf der Zeilengußsetzmaschine sehr wenig wahrscheinlich wäre, war bei einer Botschaft, wie sie der »Sternenbrief« darstellte, schon so unwahrscheinlich, daß man es unmöglich nennen durfte.
    Mit anderen Worten: Der lebensfreundliche Charakter dieser Botschaft konnte nicht ein Werk des Zufalls sein. Der Absender mußte der Neutrinostrahlung bewußt so modulierte Schwingungen gegeben haben, damit er seine »die Biogenese unterstützende« Eigenschaft offenbare. Und so schien das gemeinsame Vorhandensein von »Form« und »Inhalt« unerbittlich nach besonderen Erklärungen zu verlangen, wobei die – allereinfachste – Vermutung nahelag, daß, wenn die »Form« das Leben begünstige, auch der »Inhalt«

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