Die Stimme des Herrn.
drängte sich der Schluß auf, daß die Strahlung auch unverstärkt jene »lebensfreundliche« Eigenschaft besitze und diese nur nicht in Zeiträumen, die nach Stunden berechnet werden, sondern erst nach hunderttausend oder besser nach Millionen von Jahren in Erscheinung trete. Bereits in prähistorischer Vergangenheit hatte dieser alles durchdringende Niederschlag, wenn auch nur höchst geringfügig, die Chancen für die Entstehung von Leben in den Ozeanen vergrößert, weil er bestimmteTypen großer Teilchen gewissermaßen mit einem unsichtbaren Panzer umschloß und sie damit gegen den chaotischen Beschuß durch die Brownsche Bewegung widerstandsfähig machte. Das »Sternensignal« schuf nicht selbst Leben, sondern es unterstützte es nur, in seiner allerfrühesten, allerelementarsten Phase, weil es den Zerfall dessen, was sich einmal verbunden hatte, erschwerte.
Moeller, Physiker und Mitarbeiter Romneys, bediente sich, als er mir die Ergebnisse dieser Experimente zeigte, eines Vergleichs: Er verglich den Absender mit einem Sänger, der imstande ist, so in ein vor seinen Mund gehaltenes Glas zu singen, daß es unter dem Einfluß der von den Stimmschwingungen ausgelösten Resonanz zerplatzt. Das, was der Mann singt, steht gewiß in keinem Zusammenhang mit dieser Folge des Gesangs. Und analog dazu braucht sich der Schnitt, die Farbe, die Dichte des Papiers, auf dem der »Brief« an uns geschrieben worden war, durchaus nicht konkret auf seinen Inhalt zu beziehen. Ebensogut kann freilich eine solche Verbindung zwischen der eigentlichen Information und ihrem materiellen Träger bestehen, denn wenn wir ein hellblaues, zart parfumiertes Briefbillett von einer Frau bekommen, erwarten wir ja nicht, darin eine Ladung von Flüchen oder den Kanalisationsplan einer Stadt vorzufinden. Darüber, ob eine solche Beziehung besteht und ob sie irgendeine besondere Aussage besitzt, entscheidet für gewöhnlich die Kultur als der Ort, wo die Verbindung geknüpft wird.
Der Romney-Moeller-Effekt war eine unserer größten Errungenschaften und zugleich, wie in der Regel beim Projekt, eines der sonderbarsten Rätsel, die den Forschern schlaflose Nächte bereiteten. Die Hypothesen, die an dieser Stelle aus dem Boden schossen, standen zahlenmäßig ihren Entsprechungen nicht nach, die sich – wie Weintriebe – um jene aus der eigentlichen Information, das heißt dem Inhalt der Sternenbotschaft »abgeleiteten« Substanz – den»Froschlaich« – rankten. Ob zwischen jenem »nuklearen Schleim« und der »Biosympathie« des Neutrinocodes ein Zusammenhang bestand und wenn ja, was er zu bedeuten hatte – das war hier die Frage!
VIII
Daß ich zum Projekt hinzugezogen worden war, ging auf die Initiative von Baloyne, Bear und Prothero zurück. Wie ich im Verlaufe der ersten Wochen begriff, war die Aufgabe, die man mir am Anfang gestellt hatte und die, wie erwartet, von Erfolg gekrönt gewesen war, nicht der Hauptgrund dafür, daß man mich zusätzlich in den Wissenschaftlichen Rat aufnahm. An Spezialisten, und zwar an den allerbesten, herrschte beim Projekt kein Mangel. Das Malheur war nur, daß man nicht über die richtigen verfügte, weil es die auf der ganzen Welt nicht gab. Ich, der ich meine reine Mathematik schon so oft im Stich gelassen hatte und auf einem beträchtlichen Terrain, das sich immerhin von der Kosmogonie bis hin zur Ethologie erstreckte, von einer Disziplin zur anderen gewandert war, hatte mir dabei nicht nur die verschiedensten Kenntnisse einverleibt, nicht das war das Wichtigste, sondern ich hatte mir im Laufe meiner wiederholten »Umzüge« ein bilderstürmerisches Vorgehen zugelegt.
Als demjenigen, der von draußen kam und dessen Herz nicht an den heiligen und geheiligten Gesetzen jenes Geländes hing, das er betrat, fiel es mir am leichtesten, etwas in Frage zu stellen, gegen das die anderen, in der jeweiligen Wissenschaft Eingesessenen, nicht die Hand erhoben hätten. Und so zerstörte ich denn häufiger die angetroffene Ordnung, die Frucht langwieriger und aufopferungsvoller Mühen, als daß ich etwas aufbaute. Genau so einen Mann wünschten sich die Leiter des Projekts. Die Mehrzahl der Leute in den einzelnen Gruppen – namentlich die Naturwissenschaftler – waren bereit, die bisherigen Arbeiten fortzusetzen, ohne sich übermäßig daran zu klammern, ob sie sich zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfügen lassen würden, das jenem von den Sternen eingetroffeneninformationstheoretischen Moloch entsprach, welcher
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