Die Stimme des Nichts
gesuchten Kriminellen, der – nach allem, was ich erfahren habe – sowohl bei empfindlichen Daten als auch bei den Personen, die sie verwalten, zu umfangreichen, höchst raffinierten Manipulationen fähig ist. Ganz zu schweigen von soliden Privatpersonen. Und das macht dir nichts aus. Weil ihr beide euch in einer Hinsicht sehr gut versteht. In welcher Hinsicht, Clarity? Durch Hypnose? Durch persönlichkeitsverändernde Drogen, die er dir ins Glas geschüttet hat? Das würde sicherlich ein besonderes Verständnis erzeugen.«
Was sollte sie noch sagen? Wie könnte sie ihn überzeugen, dass er über Flinx im Irrtum war, ohne die Geheimnisse ihres Freundes zu verraten? Die Wahrheit zu sagen kam überhaupt nicht in Frage. Zum Beispiel würde Ormann dann erkennen, dass Flinx seine Emotionen spüren konnte. Sie kannte Bill gut genug, um zu wissen, wie er darauf reagieren würde.
Je länger sie schwieg, desto grimmiger wurde sein Gesichtsausdruck. Schließlich erhob er sich und ragte drohend vor ihr auf. Scrap fegte heftig durch sein transparentes Gefängnis und stieß sich Flügel und Schwanz bei der Suche nach einem Durchschlupf. Clarity spannte sich an. Doch Ormann wollte ihr nichts tun. Er liebte sie. Er wollte nur, dass sie ihre geistige Gesundheit zurückerlangte, die sie ganz offensichtlich eingebüßt hatte, wollte die Wirkung des Giftes brechen, das dieser Störenfried ihr eingeflößt hatte.
»Ich könnte ihn einfach den hiesigen Behörden melden, damit sie sich um ihn kümmern«, murmelte er. »Ich bin sicher, sie würden sich freuen zu hören, dass sich ein dringend gesuchter Verbrecher hier aufhält.«
»Was meinst du mit dringend?« Irgendwie muss ich ihn von dieser Überlegung ablenken, dachte sie. »Philip hat nie jemandem etwas getan. Er ist kein Mörder oder Erpresser oder Betrüger.«
»Bist du sicher? Du hast mir selbst gesagt, dass er dir ein Rätsel ist. Wer weiß, wie dieser Philip Lynx wirklich ist oder wozu er fähig sein mag?«
Nicht Flinx, dachte sie. Er tappt darüber genauso im Dunkeln wie jeder andere. Darum ist er schließlich zu mir gekommen.
»Ihn anzuzeigen würde keinem etwas nützen«, behauptete sie verzweifelt. Zu ihrer Überraschung pflichtete Ormann ihr bei.
»Du hast vollkommen recht, meine Liebe. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, wie unsere angeblich hoch entwickelte Justiz funktioniert, und jemand wie Lynx kann sich leicht freikaufen. Da ich das gewiss nicht gern sehen würde, habe ich beschlossen, die Behörden nicht zu informieren. Ich werde mich weiterhin selbst um die Sache kümmern.«
Sie horchte auf. »Was heißt das?«
Er runzelte die Stirn, während er zur Tür ging. »Nun, ganz einfach: Ungewöhnliche Probleme erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Sei versichert, dass mir welche einfallen und dass dir nichts passieren wird.«
»Du weißt nicht, worauf du dich einlässt, Bill. Du hast keine Ahnung, womit du es zu tun hast. An Flinx ist mehr, als der äußere Eindruck vermittelt.«
Die Tür öffnete sich und umrahmte ihren Ex-Geliebten – und ihr Ex war er, das hatte sie bereits entschieden – mit einem blauen Himmel, über den weiße Wolken zogen.
»Habe ich das nicht die ganze Zeit gesagt? Und darum habe ich beschlossen, sehr, sehr vorsichtig zu sein, wenn ich nächstes Mal gegen ihn vorgehe. Ich wäre nicht da, wo ich bin, wenn ich nicht gelernt hätte, mit übermäßigem Stolz umzugehen, Clarity. Es macht mir nichts aus, aus Fehlern zu lernen, und wo dieser Lynx im Spiel ist, sind mir einige unterlaufen. Ich glaube, ich weiß jetzt, was zu tun ist. Ich werde auf geeignete Weise mit ihm fertig werden.« Sein Blick wanderte zu dem Behälter auf dem Küchentisch. »Und mit diesem tödlichen Vieh.
Mach dir keine Sorgen, Clarity. Das wird alles bald vorbei sein. Und dann können wir beide da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Alles wird wie vorher. Ich bin bald wieder zurück. In der Zwischenzeit bleib einfach da sitzen.« Er konnte nicht anders, er musste über seinen Witz lachen.
»Du wirst sterben, Bill!« Sie sagte nicht wie, weil sie es selbst nicht wusste. Zwar hatte sie sich nach der jüngsten Entwicklung innerlich von ihm getrennt, doch sie wünschte ihm nicht den Tod. Ormann war auf seine Art sicherlich gerissen und erfahren und verfolgte rücksichtslos sein Ziel, aber das würde ihm gegen Flinx nicht helfen.
Dessen Verfolger fanden allzu oft den Tod.
12
Die Nachricht, die im Hotel eintraf, war ein bisschen wirr, aber
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