Die Stimme des Nichts
von dem dazugehörigen Fußschemel erwischt. Doch Pip, die den verstohlenen Angriff sah, spuckte auf ein Loch in der Rückseite, worauf das ätzende Gift das Innere derart beschädigte, dass der Schemel vom Kurs abkam und auf die Küche zuschlingerte. Ein Schuss aus Flinx’ Pistole stoppte seine Bewegungen endgültig.
Clarity lächelte erleichtert. »Bill dachte, dass er dich mit Maschinen kleinkriegt, weil die sich nicht hypnotisieren oder unter Drogen setzen lassen.« Sie zeigte ihm die gefesselten Hände. »Mach mich los, dann erzähle ich dir alles.«
Flinx lief auf sie zu, dann stockte er. »Er denkt, dass ich die Leute hypnotisiere oder unter Drogen setze? Du auch?«
Sie nickte. »Davon ist er überzeugt.« Sie deutete zum zweiten Mal auf ihre gefesselten Hände. »Es fühlt sich an, als würde ich bluten. Ich sitze seit heute Morgen hier fest. Kann meine Beine gar nicht spüren.«
»Das überrascht mich nicht.« Mit Bedacht hob er die Pistole und zielte auf ihren Oberkörper, wo der KI-Kortex sitzen musste.
Sie schnappte nach Luft. »Flinx! Was machst du denn? Ich bin’s, Clarity!«
Sie sah wie Clarity aus, sie redete und bewegte sich wie Clarity. Aber das war nicht Clarity. Da er schon bei mehr als einer Gelegenheit eigene selbstmotivierende Simulacra benutzt hatte, wusste er über die raffinierte Technik Bescheid. Jeder andere hätte geglaubt, dass das die echte Clarity Held sei, und Ormann rechnete anscheinend damit, dass Flinx darauf hereinfiel. Aber es gab eine entscheidende Sache, die Ormann nicht wusste, nämlich dass Flinx nie jemanden hypnotisierte oder unter Drogen setzte, sondern lediglich die Gefühle der Leute las, wenn sein Talent gerade funktionierte. Und im Augenblick funktionierte es ganz eindeutig.
Falls doch nicht, würde er jetzt den schlimmsten Fehler seines Lebens begehen.
Die Clarity, die gefesselt auf der Couch lag, geriet nicht in Panik, strahlte weder Angst noch Wut oder Unsicherheit aus. Sie strahlte überhaupt nichts aus. Sowie eine ihrer nicht ganz so fest verschnürten Hände nach vorn kam, drückte er ab. Durch die Erschütterung des Treffers feuerten die drei mittleren Finger an die Decke. Drei kleine Explosionen hinterließen ein großes Loch im Dach, wo die Geschosse einschlugen. Flinx hob einen Arm, um sich vor dem Staub- und Splitterregen zu schützen. Die Stehaufgewehre und den Spinnenbeinstuhl den Maschinentod sterben zu sehen war ihm leichter gefallen, als abzuwarten, bis die menschenähnliche Gestalt auf dem Sofa, die Funken sprühte und Pseudoblut verspritzte, ihre letzte Zuckung getan hatte.
Er näherte sich vorsichtig und stieß die rauchenden Überreste des Simulacrums mit dem Pistolenlauf an. Das Hautmaterial gab auf schaurige Weise nach, doch die Illusion wurde zerstört durch das Knacken und Surren der Technikteile im Innern. Ormann war kein Dummkopf. Falls draußen die Gewehre versagten, hatte er im Innern der Hütte für reichlich mörderische Verstärkung in Gestalt des Stuhls und des Schemels gesorgt. Wenn auch die keinen Erfolg brächten, konnte er sich auf die elegant funktionierende Schein-Clarity verlassen, die ihren Möchtegernretter sicher hinters Licht führen würde.
Ziemlich gerissen, dachte Flinx, während er auf eine Tür an der Rückwand des Raumes zuging, mich durch das Simulacrum vor dem Stuhl warnen zu lassen, um die Täuschung zu unterstützen. Hätte Ormann von seinem Talent gewusst, hätte er sich zweifellos einen anderen Trick ausgedacht.
Die verriegelte Tür machte ihm keine Probleme. Dahinter fand er Clarity gefesselt und geknebelt auf einem kleineren Sofa. Daneben auf dem Boden stand ein transparenter Kasten, in dem ein junger Minidrache mit schwirrenden Flügeln wie eine große Libelle hin und her sauste und fauchend gegen die Scheiben stieß. Pip landete oben auf dem Behältnis und suchte nach einer Öffnung. Von drinnen verfolgte der grün schillernde Kopf ihres Sprösslings jede ihrer Bewegungen.
Flinx beruhigte Clarity mit wenigen Worten. Er hatte nicht vor, seine Atemmaske abzusetzen, bis sie beide sicher nach draußen gelangt wären. Es war heiß in dem Zimmer, und Clarity schwitzte reichlich. Sie musste das Handgemenge mit angehört und sich gefragt haben, wer da war.
Als er ihr den Knebel rausnahm, machte sie große Augen. »Er hat dich nicht gekriegt.«
»Nein, hat er nicht«, versicherte Flinx mit weicher Stimme. Mit einem kleinen Vibramesser begann er ihr die Fesseln durchzuschneiden, mit denen sie am ganzen
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