Die Stimme des Nichts
passiert? Ich fürchtete schon, ich komme zu spät.«
»Woher wussten Sie, dass er hier ist?« Sie war für den Thranx offenbar so etwas wie ein Nachkömmling.
»Das wird alles erklärt, wenn Flinx zu sich gekommen ist und mit uns reden kann. Welche Ursache?«
»Oh.« Sie schaute verlegen weg. »Mein Ex-Freund hat mir ein gentechnisch verändertes Schlafmittel auf die Haut aufgetragen, das wirksam wird, sobald ich schwitze. Als Flinx mich von den Fesseln befreite, hat er es über die Hautporen aufgenommen.«
»Schlau. Bei mir wirkt es natürlich nicht.« Der Thranx nahm ein kleines Schneidewerkzeug aus dem Thoraxbeutel und befasste sich mit ihren Fesseln. »Unser Exoskelett schützt uns vor solchen Stoffen, wir schwitzen auch nicht, und ich bin sicher, die betreffende Chemikalie ist sowieso auf den menschlichen Körper spezifiziert. So«, sagte er einen Moment später.
Endlich befreit, stand Clarity mit zittrigen Beinen auf. Obwohl selbst nur mittelgroß, überragte sie den Thranx um ein gutes Stück. »Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wer Sie sind. Wenn kein Peaceforcer, was dann?«
»Ich bin eigentlich ein Philosoph. Mein Titel lautet nicht Peaceforcer und nicht Soldat, sondern Eint. Ich bin ein alter Freund von diesem höchst interessanten Menschen. Mein Name ist Truzenzuzex. Sie dürfen mich Tru nennen.«
»Tru wie Truismus?« Sie lächelte ihn schelmisch an. Er blickte auf, konnte aber kein Lächeln erwidern, da seine Physiognomie nicht dazu geeignet war. Doch sie hatte den Eindruck, dass er den Ausdruck kannte.
»Ich versichere Ihnen, ich habe schon alle Wortspiele mit meinem Namen gehört, die Sie sich ausdenken können. Aber wenn es Ihnen Spaß macht, nur zu.«
»Ist schon gut.« Das war ein Thranx-Philosoph, ermahnte sie sich, noch dazu einer mit dem hohen Rang eines Eint. Bis sie ihn besser kannte, wäre es klug, sich auf vernünftige Gesprächsbeiträge zu beschränken und auf naive Witzeleien zu verzichten.
Sie setzte sich neben Flinx auf die Couch und strich ihm durchs Haar. Mit summenden Flügeln kam Scrap angeflogen und legte sich um ihren Hals. Pip ließ sich auf dem Bauch ihres Herrn nieder und rollte sich ein, blieb aber wachsam.
»Wie lange kennen Sie Flinx schon, Truzez-Tru?« Flinx’ Haare waren kräftig und trotzdem sehr weich, wie ihr nicht zum ersten Mal auffiel, und seine Haut noch immer glatt und dunkel gebräunt.
Während sich der Thranx in dem Raum umsah, stieg er gleichgültig über eine der Leichen hinweg.
»Schon seit er ein vielversprechender Junge war. Er ist jetzt kein Junge mehr. Das ist ein Grund, warum wir einige Zeit gebraucht haben, um ihn zu finden.«
»Wir?«, fragte Clarity stirnrunzelnd und schaute an dem stillen Thranx vorbei zur Tür. »Sie sind nicht allein hier?«
»Nun, crrskk «, antwortete Truzenzuzex nachdenklich, »ja und nein.«
Ormann starrte noch aufgeregt und ungläubig auf den Kommunikator, dann legte er ihn auf den Schreibtisch. Oben in dieser Hütte in den Bergen war etwas fürchterlich schiefgegangen. Aber wieso? Diesmal hatte er doch an alles gedacht.
In diesem Moment kam so etwas, woran er nicht gedacht hatte, in sein Büro spaziert. Sein Besucher war überdurchschnittlich groß, wenn auch nicht so groß wie dieser Lynx. Schlank und würdevoll schritt er in den Raum wie ein Tänzer. Die schwarzen Augen leuchteten vor Intelligenz und blickten unter buschigen Brauen hervor. Das Gesicht war voll scharfer Kanten, als wäre die dunkelbraune Haut über eine Hand voll Messerklingen gespannt. Die Lippen waren dünn, der Mund war klein. Die Züge zeugten von asiatischen, wahrscheinlich mongolischen Vorfahren. Die Haare wurden bereits grau, während von der Stirn nach hinten eine weiße Strähne verlief. Ormann schätzte ihn zutreffend auf Anfang achtzig.
»Wie sind Sie hier hereingekommen?« Freundlich lächelnd griff Ormann mit der rechten Hand an die Schublade, in der die kleine Pistole lag.
»Zu Fuß.«
Ein Komiker, dachte Ormann unwillkürlich. Ein alter Komiker. »Sie wissen, was ich meine.« Er zog verstohlen die Schublade auf. Die Pistole lag griffbereit da. Sie war nicht groß. Aber in Anbetracht der Munition brauchte sie das auch nicht zu sein.
»Ihre Büroassistentin hat mich hereingelassen.«
»Das wird sie bereuen. Sie weiß genau, dass sie niemanden durchlassen soll, ohne vorher mit mir zu sprechen.«
»Seien Sie nicht zu hart mit ihr. Sie war sehr nett, und ich kann sehr überzeugend sein.«
»Ach, tatsächlich?«
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