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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Dorfleben ist ein Gefängnis! Und hier bin ich nun, genau wie Robin Hood und seine fröhlichen Männer – nur daß wir auf der Seite des Sheriffs sind. Und jetzt sag mir, wieso du nicht tot bist, wo doch alle gesagt haben, daß du's bist.«
    »Mein Mann hat mich während der Pest für tot liegengelassen, aber die Frau da, Mutter Hilde, hat mich gefunden und gerettet. Ich weiß immer noch nicht, warum ich noch am Leben bin, und so begleite ich sie und die anderen da, um in London mein Glück zu machen.«
    »London, äh? Eine sehr schöne Stadt. Bin dagewesen. Nicht so schön wie Paris, aber sehr schön. Doch du mußt dich besser in acht nehmen. Die Straßen wimmeln von Räubern, und deine Reisegesellschaft ist klein. Ich sag dir was: bleibt ein Weilchen hier, bis wir alle schmutzigen Lieder gehört haben, die Master Robert auf Lager hat, und den nächsten fünf, sechs Leutchen, die wir ausrauben, schneiden wir zur Abwechslung mal nicht die Kehle durch. Wir geben sie euch einfach als Begleitschutz mit.«
    Master Robert hatte alles mitangehört, machte einen tiefen Bückling und sagte zu Will:
    »Hochverehrtester Herr Räuberhauptmann und Bruder von Margaret, wir sind der Meinung, wir sollten unsere Reise nach London einstweilig zugunsten des Marktes in Sturbridge aufschieben. Wir brauchen dringend Bargeld, ehe wir uns in einer so geldgierigen Stadt wie London niederlassen. Dorthin müßte man uns also begleiten.«
    »Gut, wohin auch immer. Aber ich will euch auch richtig auf den Weg bringen. Es wird bloß länger dauern, bis ich Reisende gefunden habe, die in eure Richtung ziehen.«
    Und so blieben wir denn bei den Räubern, und mir gefiel es eigentlich gar nicht so schlecht bei ihnen. Master Robert sang allerlei schmeichelhafte Lieder über große Räuber aus alten Zeiten und flocht Namen unserer Räuber in eine Neuauflage von ›Die Heldentaten Robin Hoods‹ ein. Das gefiel ihnen ebenso gut wie allen blutrünstigen großen Herren sonst. Doch anders als im Lied, gibt es in einem Lager voller Räuber viel zu tun, auch wenn sie nicht richtig Haushalt führen wie gewöhnliche Menschen. Sie hatten einen Koch, der immerzu die Viecher briet, die sie wilderten, hatten Warenlager und andere Dinge, um die man sich kümmern mußte. Und sie hatten weyves , weibliche Vogelfreie, die allerhand langweilige Hausarbeit verrichteten, während die Männer im Kehlendurchschneiden unterwegs waren; und diese Frauen fanden den grünen, grünen Wald gar nicht soviel besser als die Gerechtigkeit, vor der sie geflohen waren. Als Will ihnen mitteilte, daß ich ein gutes Ale brauen könnte, da war mir das nur recht, denn ihres war dünn und sauer. Es gibt eben Leute, die haben in dieser Hinsicht wenig Begabung. Des Abends legten die drei Gaukler ihre Masken an und spielten ›Reineke Fuchs‹; die Hunde führten Kunststücke vor, kurzum, es unterschied sich hier in nichts von den übrigen Burgen und Städten.
    Fast vierzehn Tage vergingen, bis sie ein halbes Dutzend mißmutige Seelen, ihrer Pferde und ihres Gepäcks beraubt, als Begleitmannschaft zusammengestellt hatten. Will tat ihnen kund, warum er ihr Leben verschont hatte, ließ sie auf das Kreuz schwören und gab sie dann auf der Landstraße zusammen mit uns frei, wobei er uns ihre Waffen und etwas Bargeld zum neuerlichen Austeilen gab, während er und seine Männer im Wald verschwanden.
    Natürlich sind Menschen für rein gar nichts dankbar. Kaum hatten sich die Räuber davongemacht, da ging auch schon das Gezänk los:
    »Sage mir einer, wie soll ich dieses Kurzschwert befestigen, wo er mir doch meinen Gürtel genommen hat?«
    »Euer ganzes Fett mitzuschleppen, scheint Euch nichts auszumachen; ich wüßte allein schon zwei unaussprechliche Stellen, wo Ihr das Schwert tragen könntet.«
    »Wenigstens hat er Euch nicht den Umhang weggenommen. Aber natürlich, jetzt, wo ich ihn sehe, weiß ich auch warum – der Schnitt ist ja gänzlich bäurisch.«
    »Ich und bäurisch? So wie Ihr den Bart gestutzt tragt, habe ich schon schmuckere Eremiten gesehen.«
    Wir trotten schweigend dahin und lauschten den Beschwerden unserer neuen Reisegenossen, die nicht gut zu Fuß waren.
    »Freunde«, sagte Maistre Robert fröhlich, »wir sollten uns lieber freuen, daß wir noch am Leben sind. So sagte auch der Hase nach einem Besuch im Fuchsbau. Aber da war auch mal eine alte Fuchsmutter…« Und so zogen wir frohgemut auf unser Ziel zu.

    Bruder Gregory hielt inne und streckte sich. Nachdem er die letzten

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