Die Stimme
Dreck darin, der zwischen den klappernden und verrotteten Fensterläden des Vorderfensters schief unter dem Dachfirst hing.
Das erste Stockwerk kragte um gute sechs Ellen über das Untergeschoß hinaus, so daß die Haustür ständig im Schatten lag, und hinderte jeden Reiter daran, zu Pferd die ganze Gasse entlangzureiten. Wer auch immer die Auskragung hinzugefügt hatte, die das Obergeschoß größer machte, er hatte keinen Gedanken an die Symmetrie verschwendet, und das, zusammen mit dem Alter des Ständerwerks, verlieh dem Haus ein trunkenes Aussehen. Auf dem hohen Spitzdach fehlten so viele Ziegel, daß es mich an ein zahnlückiges Lächeln erinnerte. Keine Spur von Regenrinne unter dem Dachgesims. Das Haus war sehr lange nicht mehr getüncht worden, und aus der Außenwand waren große Stücke von verblichenem Putz herausgefallen. Ich hörte etwas rascheln und sah, wie eine große Ratte durch eines der Löcher sprang.
»Seht nicht so niedergeschmettert drein, meine Lieben. Es hat ein echtes Ziegeldach und hinten einen schönen Garten. Ihr werdet es schon noch ganz heimelig finden. Für das Versprechen, es instandzusetzen, durfte ich von der Miete etwas abziehen.«
Natürlich. Er hatte ein gutes Geschäft gemacht. Das erklärte alles. Das Dach hält auch nicht den leisesten Nieselregen aus, dachte ich grämlich. Bruder Malachi stieß die Gartenpforte auf. Sie ging auf einen schmalen Gehweg, welcher sowohl zur Außentreppe in den ersten Stock, als auch zum Hintergarten führte. Wir folgten alle und führten Moll langsam den festgetretenen Lehmpfad entlang. Der Garten war ein besonntes Unkrautbeet mit einem Schuppen für die Tiere. Wir ließen Moll im Hof angebunden stehen und traten durch die Hintertür ein, wo uns ein übler Gestank empfing. Der Abtritt, welcher sich in eine Grube hinten im Garten entleerte, war lange nicht ausgenommen worden. Das Erdgeschoß bestand aus einem großen Hinterzimmer mit einem Kamin und einem kleineren Vorderzimmer, ebenfalls mit Kamin. Einst mußte das Haus jemand am Herzen gelegen haben. Kamine findet man in alten Häusern nämlich selten. Sie waren wohl später hinzugefügt worden. Das obere Stockwerk, so stellten wir bald fest, besaß ebenfalls zwei Zimmer. Nirgends auch nur die Spur von Möbeln. Die Wände hatten lange, lange keine Tünche gesehen und bröckelten auf dem Fußboden zu Häufchen aus Mörtelstaub vor sich hin. In den Ecken hatten Spinnen ihre Netze gezogen.
»Das Hinterzimmer hier eignet sich hervorragend für meine Arbeit. Eine hübsche Ecke für mein Oratorium. Und es hat einen eigenen Kamin, was recht praktisch ist, wie ihr schon bald feststellen werdet, meine Lieben«, verkündete Bruder Malachi. »Und jetzt gehabt Euch für ein Weilchen wohl, ich muß ein paar Sachen holen, die ich bei einem Freund untergestellt habe. Ihr werdet sicher wissen, was ihr zu tun habt.« Wir sahen ihm nach, als er zur Hintertür hinausging. Dort saß Peter mitten im Unkraut, fuchtelte mit einem langen Stock herum und grinste fröhlich. Drinnen war alles dunkel und schmutzig. Die Zimmer rochen nach Verfall. Ich blickte Hilde an, Hilde blickte mich an, und dann fielen wir uns um den Hals und weinten.
Nichts soll ja einer Frau so bekömmlich sein wie Saubermachen, und im Laufe der nächsten Wochen bot sich uns wahrlich reichlich Gelegenheit zu Selbstheilungen. Während wir auskehrten und schrubbten, pfiff Bruder Malachi und stellte seltsam aussehende Dinge im Hinterzimmer auf. Er besaß einen Blasebalg, wie man ihn beim Schmied zu sehen bekommt, und noch viel merkwürdigere Dinge. Eines nannte er einen Tiegelofen, in dem man sehr heißes Feuer machen konnte; dann gab es sonderbare Kupferkrüge mit langen Schnäbeln, die er Pelikane nannte, dazu noch einen großen Glaskrug mit einem gewundenen, spitzen Ausguß, der sich nach unten und zur Seite bog. Es gab Gestelle und Zangen und kleine Krüge und Kästchen voller eigenartig riechender Dinge.
»Ah, ah, nicht anfassen, du kleine Schnüfflerin, ein paar dieser Sachen könnten sich, falls man sie falsch einsetzt – oder, so möchte ich hinzufügen, falls man mit einer so hübschen, kleinen Nase daran riecht – als tödlich erweisen«, ermahnte er mich.
»Aber wozu ist das alles gut?« fragte ich ihn dann wohl.
»Nein, aber nein auch, Margaret, wenn du unbedingt die vas hermetica anfassen mußt, dann setze sie bitte nicht so hart auf, du zerbrichst sie ja.« Bruder Malachi eilte immer noch geschäftig umher, so als beschäftigte
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