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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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acht gleich lange Seiten. An jeder der acht Wände ließ ein hohes, teilweise bunt verglastes Fenster einen langen Lichtstrahl herein, der auf dem Steinfußboden und den Gesichtern der versammelten Würdenträger spielte. Die Decke war hoch und dämmrig, hier und da konnte man Gesichter aus Stein und gemeißelte Verzierungen erkennen, die sich in den verschatteten Ecken, wo Decke und Wand aufeinanderstießen, wie unter dem Scheitelpunkt des Daches verbargen. Zwei Wachen führten mich hinein und ließen mich allein und angstschlotternd mitten im Raum stehen. Dort, vor mir befand sich ein Podest, auf dem stand ein großer, geschwungener, mit einem Tuch verhangener Tisch, an welchem meine Inquisitoren saßen. In der Mitte, auf dem höchsten, am prächtigsten verzierten Stuhl saß der Bischof persönlich, ein alter, ungesund aussehender Mann in Lagen von besticktem Scharlachrot und weißer Seide, die üppig mit feinstem Grauwerk gefüttert war. Er hatte eine lange, normannische Nase und abwesende, arrogante Augen in einem schlaffen Gesicht mit geplatzten Äderchen. Er trug ein großes, goldenes Kruzifix, viel größer und kunstvoller ziseliert als irgendein anderes im Raum. Als ich es sah, ging mir die Erleichterung durch und durch, daß ich das Brennende Kreuz wohlbehalten unter meinem Überkleid verborgen trug. Man kennt ja diese großen Kirchenmänner – sie geraten in Zorn, wenn ein gewöhnlicher Sterblicher ein Kreuz besitzt, das ihrem gleichkommt.
    Mein Blick richtete sich auf den Tisch. An einem Ende saß ein furchteinflößender Dominikaner in seiner schwarzen Kutte mit Kapuze und tiefliegenden, fanatischen Augen; am anderen Ende ein Schreiber, der die Dokumente vorlesen und den Verlauf protokollieren würde, ein einfacher Priester in schwarzer Soutane mit weißem Chorhemd. Dazwischen saßen die Doctores der Theologie; an ihren Händen glitzerte das Gold, wenn sie diese auf den Tisch legten, da konnten nur noch die schweren Goldketten mithalten, die sie um den Hals trugen, etliche davon mit einem Kruzifix und manche davon so märchenhaft gestaltet, daß sie eine heilige Reliquie aufnehmen konnten. Rings um sie bauschten sich ihre schweren Seiden- und Samtroben in tiefen, schimmernden Falten; so prächtig waren sie anzusehen, daß ich mir so schwach und gering vorkam wie meiner Lebtage nicht. Ach, wenn doch bloß mein Gesicht nicht schmutzig wäre!
    Als ich ihnen in die selbstgefälligen, wohlgenährten Gesichter schaute, da schien unter der Oberfläche etwas so Hartherziges und Verderbtes zu lauern, daß sich mir das Herz zusammenzog. Und in diesem Augenblick ging mir auf, daß ich eines von diesen harten Gesichtern kannte. In der prächtigen Robe eines Doktors der Theologie, ganz anders, als ich ihn sonst kannte, saß dort Vater Edmund. Das Kinn hatte er verbissen vorgereckt, und seine Augen blickten so grausam wie die des Dominikaners. Ich wandte den Blick ab, denn jetzt hatte ich das Schlimmste zu befürchten. Ich konnte mein Herz hämmern hören, während ich so aufrecht wie möglich dastand und die erste Frage beantwortete.
    »Seid Ihr die Frau, die sich selbst Margaret von Ashbury und auch Margaret Small, oder auch Margaret die Wehmutter nennt?« fragte der Schreiber.
    »Die bin ich«, antwortete ich mit zittriger Stimme. Die Männer am Tisch nickten sich unmerklich zu; auf dem Gesicht des Dominikaners lag ein wissendes Grinsen, und die anderen schienen nur noch verbissener auszusehen. Was um alles mochte an der Antwort auf diese Frage falsch sein? Oder machten sie das nur, um mich durcheinander zu bringen?
    »Wißt Ihr, daß man Euch der Ketzerei beschuldigt hat?«
    »Das ist eine falsche Beschuldigung. Ich bin eine treue Christin. Wo sind die Ankläger, daß ich ihnen antworte?«
    »Beantwortet lediglich unsere Fragen, Weib, das sich selbst Margaret von Ashbury nennt, und maßt Euch in Eurer Hoffart nicht an, Fragen an einen von uns zu richten«, sagte einer der gelehrten Doctores. Dann begannen sie, mich zu befragen, wie es um meinem christlichen Glauben bestellt war. Sie fingen mit einfachen Fragen an, die ich so klar wie möglich zu beantworten versuchte, denn ich hatte Angst, sie könnten mich zu einer falschen Antwort verleiten. Bald wurde ich beherzter, denn ich sah, daß sie nickten, wenn ich antwortete.
    »Und wie versteht Ihr das Sakrament der Kommunion?« fragte einer. Ich antwortete unerschrocken. Diese Fragen glichen genau denen Vater Edmunds! Vielleicht winkte ja doch noch Rettung, wenn sie

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