Die Stimme
Sackgasse manövriert, fort aus der gefährlichsten Ecke, wo mir in meiner Unwissenheit womöglich ein Wort entschlüpfte, das mich ins Verderben riß. Wenn er es nicht schaffte, dann wartete an diesem Abend vielleicht nicht nur auf einen, sondern auf drei Menschen Gefängnis, öffentliche Schande und der Scheiterhaufen. In meinen Ohren summte es schrecklich, und ich meinte, das Herz müßte mir in tausend Stücke zerspringen. Aufregung und Geschäftigkeit, als der Bischof den jüngsten seiner Sekretäre rufen ließ. Ich fand, David sah gut aus, als er den Raum betrat. So unverändert, so jung und schlank und ernst in seinem einfachen Priestergewand. Als er Auge in Auge mit dem Schreiber stand, hörte sich seine ehrliche Stimme so schlicht an, als er den Eid darauf ablegte, daß er nichts als die Wahrheit sagen würde.
»David, David von Ashbury, wißt Ihr irgend etwas über diesen Fall?«
»Nichts, Mylord. Ich habe die Unterlagen dafür nicht vorbereitet.«
»Wer ist jene Frau, die dort kniet?« fragte der Bischof.
»Ich weiß nicht – wartet –« Er musterte mich genauer und verdrehte ein wenig den Kopf, damit er mir ins geneigte Gesicht blicken konnte. »Das ist meine Schwester Margaret, Mylord«, sagte er zum Bischof. »Margaret«, meinte er und wandte sich dabei wieder mir zu, »du siehst schrecklich aus. Fast hätte ich dich nicht erkannt.«
»Das reicht«, sagte der Bischof. »Wieviele Schwestern habt Ihr?«
»Nur diese eine«, erwiderte er. »Ein Jahr älter als ich. Margaret. Das ist sie. Ich habe sie seit ihrem Hochzeitstag nicht mehr gesehen. Sie hat sich seither verändert.«
»Ihr würdet sie überall wiedererkennen?«
»Ja, Mylord, das würde ich. Sie ist es, ganz ohne Zweifel.«
»Ich finde, Ihr habt Euch die Schwester schlecht ausgesucht. Ihr dürft gehen.« David verneigte sich tief und war verschwunden. Dann seufzte der Bischof und rutschte auf seinem Sitz hin und her.
»Dieser Punkt der Anklage entfällt – sie ist keine Hochstaplerin. Was ist nun mit den anderen?«
»Mylord Bischof«, sagte Vater Edmund ruhig, »nach meiner untertänigsten Meinung hat die Frau dort vor Euch unter schärfster Befragung weder einen Meineid geschworen noch gezeigt, daß sie häretischen Überzeugungen anhängt oder eigensinnig auf ihrem Irrglauben beharrt –«
»Sie hat jedoch gestanden, daß sie sich vorsätzlich über Gottes Wort hinweggesetzt hat«, unterbrach der Dominikaner. Der Bischof hob die Hand und gebot dem Dominikaner Schweigen, so daß Vater Edmund ausreden konnte.
»Ja, es ist wahr, sie hat es gestanden, doch ich glaube, der Tatbestand der Vorsätzlichkeit ist nicht hinlänglich bewiesen, und so dürfte ihre Überzeugung eher einem Irrglauben zuzurechnen zu sein als der Häresie. Seht doch nur, wie unwissend und einfältig sie ist! Meiner Meinung nach mußte der verfehlte und anstößige Lebenswandel, dem sie in dieser Stadt anheimfiel, schon von sich aus zu Irrglauben und falschem Stolz verleiten.«
»Niemand, wie Ihr sehr wohl wißt, Hochwürden Edmund, fällt einem bösen Lebenswandel anheim; der Teufel verleitet dazu, denn als Gewerbe für seine Adepten sucht er sich mit Vorliebe die Geburtshilfe aus.«
»In all diesen Monaten haben sich keinerlei Beweise für Schwarze Künste ergeben. Die Unterstellung, sie sei eine Hochstaplerin und damit meineidig, ist widerlegt. Und was den Irrglauben angeht, der fast an Häresie grenzt, so ist sie nur in einem Punkt überführt. Sagt, wirkt dieses gemeine, schniefende Geschöpf etwa trotzig? Ich kann keinen bösen Willen erkennen, lediglich Dummheit. Ich glaube, sie ist zu Buße und Besserung fähig.« O Gott, Vater Edmund, wie konntet Ihr mir das antun? Nie hätte ich gedacht, daß ein Herz so wehtun konnte, wie nämlich meines, als er das sagte. Der Bischof blickte mich lange an, wie ich da ganz aufgelöst und mit verweintem Gesicht kniete. Ich blickte zu ihm hoch und forschte in seinem Gesicht, ob ich seine Gedanken lesen könnte. Sein Mund zuckte angewidert.
»Bessern, die? Das ist eine Schlange und eine Heuchlerin.« Schon wieder einer der gelehrten Doctores der Theologie.
»Weib, bereust du?« fragte Vater Edmund.
»Ja, ich bereue aus tiefstem Herzen und bitte um Vergebung.« Jetzt hieß es, meine Rolle zu spielen um Davids willen.
Mein Wille war gebrochen, und ich spürte nur noch die entsetzliche Schmach, daß ich mich dort befand.
»Wollt Ihr Buße tun?«
»Ja, ich will Buße tun.«
»Wollt Ihr ablassen von Eurem eigenwilligen
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