Die Stimme
Kirche verleitet. Hier vor Euch schwöre ich ab und entsage feierlich meinem Irrglauben und der Häresie und werde nie wieder weder an Irrglauben noch an Häresie noch an falscher Lehre gegen den Glauben der Heiligen Kirche und die Beschlüsse der Römischen Kirche festhalten.«
Dann las der Schreiber den Schuldspruch zu Ende vor und dazu die Warnung, daß man mich, sollte ich rückfällig werden, dem weltlichen Arm übergeben und mich verbrennen würde.
»Dort unterzeichnet Ihr«, sagte er und deutete auf eine leere Stelle unten auf dem Dokument.
»Was besagt das da, die Schrift über dem leeren Raum?« fragte ich und sah die Reihen schwarzer Zeichen auf dem Pergament an. Er schenkte mir einen Blick voll unendlichem Abscheu.
»Es besagt, daß Ihr diese Dinge mit einem eigenhändig geschriebenen Kreuz bezeugt. Wißt Ihr eine Feder zu halten?« Ich starrte ihn verständnislos an. Es war alles so überaus schrecklich. Das Ganze mußte ein Fehler sein. Ich gehörte nicht hierher. Ich sollte in der Dunkelheit bei einer flackernden Öllampe wachen und einer Frau in den Wehen die Hand halten. Dazu waren meine Hände geschaffen. Ich blickte meine Rechte an. Das Eisen hatte schon die Haut am Handgelenk abgeschürft. O Hand, dachte ich, du bist feige, und ich bin feige mit dir. Du solltest nicht für alle Zeit auf die Waffe verzichten. Ich blickte meine Finger an. Und wenn ich mir noch soviel Mühe gab, sie zitterten. Ich konnte sie nicht einmal richtig schließen. Der Schreiber sah, wie unbeholfen sie sich bewegten und drückte sie um die Feder und half ihnen, das Zeichen zu machen. Die Tinte spritzte, befleckte mir die Hand und hinterließ Tropfen auf dem Papier und auf seinem Ärmel. Angewidert untersuchte er den angerichteten Schaden. Alles war vorbei.
Ich war frei. Aber was für eine traurige Freiheit. Aus Angst David zu schaden, wagte ich nicht, abermals mit ihm zu sprechen. Ich mochte nicht einmal Vater Edmund anschauen, als man mich aus dem Raum führte, und so blickte ich denn auf meine Füße. An der Tür nahm mir der Wachtposten die Handschellen ab. Ich konnte vor Tränen kaum sehen. David hatte ich mit meinem Versprechen gerettet, aber was sollte bloß aus mir werden? Die Waffe gegen den Tod war fort. Nie und nimmer würde ich wagen, mir eine neue anfertigen zu lassen. Ich war so gut wie tot, denn ich konnte nicht mehr ich selbst sein. Auf der anderen Seite aber, so redete ich mir gut zu, erwartet dich am Morgen nicht der Scheiterhaufen. Das hat etwas Gutes zu bedeuten. Mein Herz tat einen Sprung, als ich ins helle Tageslicht hinaustrat.
Margaret sah Bruder Gregory beim Schreiben über die Schulter zu. Sie konnte jetzt zwar lesen, aber ihn machte das fahrig. Früher hatte er sich so gern in ihrer Bewunderung gesonnt, wenn sie zusah, wie er die Worte hervorzauberte wie magische Formeln auf Papier, und sie ihr dann noch einmal genauso vorlas, wie sie diese gesagt hatte. Er stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Margaret, Ihr habt mich mit hineingezogen. Vermutlich haben die da oben meinen Namen.«
»Bloß für den Leseunterricht. Das kann man Euch nicht vorwerfen.«
»Bloß für – wie um Himmels willen wollt Ihr das wissen?«
»Ich weiß so allerlei. Ich habe doch schon gesagt, daß ich herumkomme. Selbst jetzt noch.«
»Naja, jedenfalls hat sich mir ein Rätsel gelöst. Ich habe mich immer gefragt, warum Ihr das da aufgeschrieben haben wolltet. Es kam mir eigenartig vor. Aber da ich Euch mittlerweile gut kenne, ist mir ganz klar, daß Ihr –«
»Ich meine Seite der Geschichte erzählen wollte«, bemerkte Margaret selbstzufrieden.
»Eure Seite? Wie gewöhnlich unterbrecht Ihr mich. Nein, Ihr wolltet nur das letzte Wort haben. Frauen!« Bruder Gregory schnaubte, doch nicht mehr mit dem alten Feuer.
»Ich kann Euch nur gut raten«, und dabei drohte Bruder Gregory ihr grimmig mit dem Finger, »laßt das hier nie ans Licht kommen. Wieso Ihr Euch die Mühe macht, ist Eure Sache, aber öffentlich Schande über Euch zu bringen, das ist auch Sache Eurer Freunde.«
»Ich weiß. Ich hebe es auf.«
»Aufheben? Für wen wohl?« Bruder Gregory schüttelte den Kopf. Kenne sich einer aus mit den Launen einer Frau!
»Ich will es meinen Töchtern in jener Truhe da hinterlassen.«
»Doch wohl ein ziemlich fruchtloses Unterfangen.« Bruder Gregory durchmaß großen Schrittes das Zimmer. Er war verwirrt und traurig. Margaret saß ruhig da und blickte ihn an.
»Wenn sie es nicht haben wollen, dann können sie es ja
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