Die Stimmen des Flusses
berichten, die ich kenne, mein Kind, ich weiß nicht, ob ich dazu fähig bin.
»Was ist aus den anderen beiden Eliots geworden?«
»Nichts. Die haben sie umgebracht.«
»Ach ja. Es ist gefährlich,Verbindungsmann zu sein.«
»Ja.« Ventura kaute schweigend. »Die Nüsse sind ranzig.«
»Ich habe nichts anderes.«
»Nächste Woche stellen wir dir ein Funkgerät auf den Dachboden der Schule.«
»Ihr seid verrückt. Und wenn sie mich erwischen?«
»Ich werde dir auch eine Pistole geben. Wenn sie dich erwischen, darfst du ihnen nicht die Frequenzen verraten.«
»Ganz einfach.«
»Ja. Eliot ist so mächtig, weil er ist, was er ist.«
»Weil er ein Geist ist.«
»Ich weiß es nicht. Auf alle Fälle wollen wir, daß zum Beispiel die Waffen-SS, wenn sie sich mit General Yuste und seinen Obersten trifft, immer fürchten muß, Eliot könnte sie in die Luft jagen.« Er nahm sich noch ein paar Haselnüsse. »Ja, das ist ein guter Vergleich: ein Geist. Ich bin manchmal auch Eliot, weil ich ständig auf Achse bin. Du bist überall.«
»Wenn du ständig auf Achse bist, warum bist du dann nicht gekommen, um dich gegen deinen Sohn auszutauschen?«
Ohne den Blick von der Dunkelheit abzuwenden, schluckte Leutnant Marcó die Haselnüsse hinunter und schwieg, bis er sich eine Zigarette gedreht hatte. Erst als er sie angeleckt hatte, erwiderte er: »Glaubst du, daß ausgerechnet du das Recht hast, mich das zu fragen?«
»Ich weiß es nicht. Warum warst du nicht da?«
»Ich war in Toulouse. Als ich die Nachricht erhielt …«
Als Ventura die Nachricht erhielt, verlor er den Verstand. Er drohte, Kommandant Caspe umzubringen, der ihm nicht erlaubte, sich zu stellen, und machte sich dann heimlich davon, sämtliche Befehle mißachtend. Er kam abends in Torena an, gerade noch rechtzeitig, um das frisch geschaufelte Grab seines Sohnes und Erben zu sehen. Er war zu spät, der Kummer zerriß ihm das Herz, und die drei Männer, die ihn begleiteten, zwangen ihn, noch in derselben Nacht wieder zu verschwinden. In Toulouse entging er dem Kriegsgericht nur, weil Männer wie Leutnant Marcó rar waren.
»Was?«
»Nichts. Ich war in Toulouse.« Er deutete aus dem Fenster. »Paß auf, gleich ist es soweit.«
Beide schwiegen wieder, eine ganze Weile. Wenn Leutnant Marcó an seiner Zigarette zog, leuchteten ihre dunklen Gesichter blutrot auf.
»Ich kann den Pamano hören«, sagte Oriol.
»Den Pamano kann man von Torena aus nicht hören.«
»Ich höre ihn aber.« Stille. »Du nicht?«
Ventura unterdrückte ein Lächeln. Oriol bemerkte es und sah ihn verwundert an. Ventura tat einen Zug: »Es ist nur … Als ich klein war, erzählten die alten Leute in Torena …«
»Was?«
»Nichts. Sie sagten, den Fluß könnten nur die hören, die sterben müssen.«
»Wir alle müssen sterben«, wandte Oriol unbehaglich ein.
»Sie nennen ihn den Fluß der tausend Namen«, sagteVentura, um den Schleier zu zerreißen, der sich zwischen sie gelegt hatte.
»Warum das?«
»Zuerst heißt er Pamano wie der Berg, dem er entspringt. Weiter unten nennen ihn einige Bernui, und hinter Bernui heißt er dann Riu d’Altron, klingt anders, und das Wasser schmeckt anders. Sogar das Fleisch der Forellen ist anders, nicht so zart und saftig wie das der Forellen, die man im Pamano fischen kann.«
Ventura nahm einen tiefen Zug. Er war weit weg. Zwar sah er noch immer hinüber zum Torreta de l’Orri, aber in Gedanken fischte er an den Ufern des Pamano.
»Und weiter unten, ab der Mühlenbrücke, heißt er dann Riu de Sant Antoni und verstummt.«
Schweigen. Am Torreta de l’Orri blieb alles dunkel. Ihre Augen schmerzten vom angestrengten Starren in die Nacht. Ventura blinzelte, spie einen Krümel Tabak aus und sagte: »Weißt du, was Ventureta mich eines Tages gefragt hat?«
»Was?«
»Wir kamen vom Bony de la Mata herunter, und als wir am Pamano angelangt waren, auf der Höhe von Saurí, sind wir flußaufwärts gegangen.«
»Und was hat er dich gefragt?«
Leutnant Marcó schwieg und zog an seiner Zigarette,.
Oriol dachte, er ist mit seinem Sohn am Ufer des Pamano. Er respektierte sein Schweigen, aber es hielt so lange an, daß er schließlich wagte zu fragen: »Was hat Ventureta dich gefragt?«
»Was?«
Ventura schien zu erwachen, drückte die Zigarette auf dem Tellerchen aus und seufzte: »Das ist nicht wichtig. Er war erst fünf oder sechs.« Er riß sich zusammen: »Los. Es ist Zeit.«
»Was hat er dich gefragt?«
Selbst in der Dunkelheit erahnte er
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