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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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du’s noch genauer wissen?«
    Valentí sah ihn nicht an, und Oriol war beunruhigt. Warum war Valentí so kühl? Hatte er etwa entdeckt …
    »Ich war im Puff«, wiederholte er. »Deine Männer haben keine Ahnung, wie man jemanden beschattet. Sie sind schlechte Verfolger. Du mußt ihnen das noch beibringen.«
    Er sah ihm in die Augen. Seit dem Tod des Blinkers konnte Oriol Fontelles Valentí in die Augen sehen: Er hatte festgestellt, daß dieser seinen Blick nicht länger als fünf Sekunden ertrug, als bedrücke ihn etwas.
    »Es kränkt mich sehr, daß du mir nicht vertraust. Ich wollte meine Tante besuchen.«
    Marés brachte ihnen zwei Gläser Anisschnaps.Valentí wartete, bis er weg war, dann sagte er mit einer kalten Stimme, die Oriol schaudern ließ: »Deine Tante lebt nicht in Barcelona. Sie lebt in Feixes.« Er nahm den ersten Schluck: »Warum bist du nach Barcelona gefahren?«
    »Ich …. Nichts. Ich war im Puff.«
    »Man muß nicht bis nach Barcelona fahren, um zu bumsen. Weißt du, daß Senyora Elisenda ebenfalls in Barcelona war?«
    »Wer?«
    »Senyora Elisenda.«
    »Aha.«
    »Hast du dich mit ihr getroffen?«
    »Wie bitte?«
    »Ob du dich in Barcelona mit ihr getroffen hast.«
    »Wie sollte ich denn … Hör mal, Barcelona ist sehr groß und …«
    »Sag nur, ob ihr euch getroffen habt.«
    Valentí Targa ist eifersüchtig wegen Elisenda.
    »Ich habe nicht …« Er verstummte, doch dann brach es aus ihm hervor: »Und was geht dich das an?«
    Valentí Targa leerte sein Glas und knallte es auf den Marmor. Ohne ihn anzusehen, sagte er rauh: »Wenn ich rausfinde, daß du dich an sie ranmachst, bringe ich dich um.«
    »Welches Recht hast du auf sie?« Unbedacht ging er zum Gegenangriff über.
    »Alles Recht dieser Welt.«
    »Ich glaube, sie sieht das etwas anders.«
    »Ihr seht euch also doch.«
    Moment mal. Ich muß vor dem Maquis geheimhalten, daß ich aus der Ferne meine Frau und meine Tochter gesehen habe, deren Namen ich noch nicht kenne, die aber ein niedliches Händchen hat, das mir zum Abschied zuzuwinken schien; ich muß ein paar Falangisten ablenken, die Spion spielen, um euch nicht in Gefahr zu bringen, meine Tochter; ich verzichte darauf, mit meiner Frau zu sprechen und dir einen Kuß zu geben, deine Hand zu nehmen und wenigstens einmal im Leben mit ihr zu spielen; ich muß Tag und Nacht Targas Falangisten etwas vormachen, um die Arbeit tun zu können, die der Generalstab mir aufgetragen hat; ich muß den Mund halten, wenn ich vor den Kindern stehe, damit sie denken, daß ich nur ein Lehrer bin und nicht jemand, der Flüchtlinge oder Kämpfer auf dem Dachboden der Schule versteckt; ich muß mich vor Valentí Targa verstellen, damit er nicht auf den Gedanken kommt, daß die Schule ein Zufluchtsort für Menschen ist, die den Weg der Angst gehen, und daß ich sie beherberge; ich muß den Venturas aus dem Weg gehen, die mich hassen, und mich vor der ganzen Weltverbergen, um mich mit einer außergewöhnlichen Frau treffen zu können, die sich ebenfalls vor aller Welt verbergen muß, um mich sehen zu können, um ihre Hand an meine Wange zu legen, mich mit diesen Augen anzusehen und mir zu sagen, ich glaube, ich liebe dich sehr, Oriol, und auch wenn momentan alles sehr schwierig ist für dich und für mich, werde ich schon eine Lösung finden, weil ich immer für alles eine Lösung finde. Ich muß mich vor mir selbst verstecken, weil ich weiß, daß ich sehr feige war. Und jetzt ist dieser nutzlose Schwachkopf von Targa eifersüchtig, weil er glaubt, daß Elisenda und ich uns heimlich sehen. Und das Schlimmste daran ist, daß er recht hat. Wir sehen uns heimlich, und das ist der Himmel auf Erden, und ich werde nicht darauf verzichten. Ich weiß, daß das nicht gut für mich ist, daß es schlecht ausgehen wird, aber diese Frau ist unwiderstehlich. Mein Gott. Ich will weg. Hilf mir, Rosa.

34
    »Betrachten Sie, Herr Bürgermeister«, hier hob er seinen Stichwortzettel wie zum Gruße, »die Bemühungen des Kollegiums als Dankesbezeigung gegenüber dem Ort, in dem wir unterrichten, in dem wir lernen und unsere Schülerinnen und Schüler lehren, wie wichtig Multikulturalität in einer globalen, technisierten Gesellschaft wie der unseren ist, wo wir ihnen beibringen, die Verschmelzung der Kulturen als einen Prozeß geistiger Öffnung in alle Richtungen zu sehen, als Bereicherung …«
    Wie peinlich du auf mich wirkst, Jordi: Das einzige, was dich interessiert, ist die Verschmelzung mit Frauen, laß doch das

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