Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
Vom Netzwerk:
Mertxe. Nein, ich glaube nicht, daß sie noch Jungfrau ist, aber das ist doch egal, Mann). Der vielleicht geschlossenste Block innerhalb dieser Gruppe bestand aus Mertxes Freundinnen, alles höhere Töchter, die dachten, na, da mutet Mertxe sich ja ganz schön was zu, so ein Kind zu bekommen ist doch reichlich primitiv.Von den restlichen fünfunddreißig Komma sieben Prozent war die Hälfte direkte Verwandtschaft, die hatte kommen müssen, die andere Hälfte waren verschiedene Fälle, darunter ein Sonderfall, nämlich Jacinto Mas, der dabeisein mußte, weil das seine Arbeit war. Am nächsten Tag würde er Senyora Elisenda zum Arzt fahren müssen, und wahrscheinlich würde sie noch überraschend bei irgendeinem Bischof oder Priester einfallen, denn seit sie nicht mehr mit diesemverdammten Quique vögelt, wird sie mir allmählich zu einer Heiligen. Und da Rechtsanwalt Gasull mit einer Grippe das Bett hütete, wußte Jacinto Mas als einziger unter den Anwesenden, das heißt, als eins Komma eins neun Prozent der Taufgäste von Sergi Vilabrú (von den Vilabrú-Comelles und den Cabestany Roures und den Vilabrús aus Torena und den Ramis von Pilar Ramis aus Tírvia, dem Flittchen, besser, wir reden nicht davon aus Rücksicht auf den armen Anselm, der theoretisch der Urgroßvater des Kindes war) Centelles-Anglesola (von den Centelles-Anglesolas, die seitens der Anglesolas mit den Cardona-Anglesolas verwandt waren, und den Erills de Sentmenat, denn die Mutter der Mutter ist Tochter von Eduardo Erill de Sentmenat, der drei Wochen nach seiner Angina Pectoris einen Herzinfarkt erleiden wird, der ihn unter die Erde bringt, den Armen, mitten im Skandal um die Banca de Ponent), daß der Vater des Kindes, Marcel, nicht der Sohn von Senyora Elisenda war, sondern daß sie ihn aus einer Tuberkuloseklinik in der Nähe von Feixes geholt hatte, wer weiß, warum. Jacinto Mas wußte alles über seine Herrin: Er kannte ihre Fehler und Tugenden, ihre Ängste und Freuden, ihre Augenblicke der Schwäche und der Wut. Er kannte sogar ihre große Lüge. Und bis vor kurzem war sie edel, gerecht und elegant gewesen, und es war ihm nie schwergefallen, ihr zu dienen, zu dienen wie ein Sklave, denn sie war eine Göttin. Ich liebe dich, Elisenda, auch wenn du mich in letzter Zeit beim geringsten Anlaß tadelst. Es heißt nicht mehr, sehr gut, Jacinto, du machst das ausgezeichnet, sondern: Warum hältst du hier an? Vorsicht, brems nicht so stark, warum hast du mir nicht gesagt, daß ich meinen Mantel vergessen habe, ich weiß nicht, wo du deine Gedanken hast, Jacinto, verflixt. Nun ja, das eine oder andere Mal war ich unaufmerksam, aber das waren Kleinigkeiten. Aber ich liebe dich trotzdem, Elisenda: Du wirst alt und merkst nicht, daß auch ich ein Herz habe. Vielleicht zähle ich für dich nicht mehr als der Wagen. Ich weiß nicht, warum du damals im größten Durcheinander dieses Kind adoptiert hast, mitten währenddes Theaters mit dem Maquis, und warum du nach Feixes gefahren bist, um es zu holen. Wenn es einen Grund dafür gibt, werde ich ihn schon herausfinden. Ich mag es nicht, daß du Geheimnisse vor mir hast, nachdem ich so viele Jahre lang den Mist weggefegt habe, den deine Familie produziert hat. Vor allem dein Sohn. Amen.
    Als die Taufe vorbei war, traten alle in den wohligen Sonnenschein hinaus, zufrieden lächelnd, weil Sergi Vilabrú (von den Vilabrú-Comelles und den Cabestany Roures und den Vilabrús aus Torena und den Ramis von Pilar Ramis aus Tírvia, dem Flittchen, besser, wir reden nicht davon aus Rücksicht auf den armen Anselm, der theoretisch der Urgroßvater des Kindes ist) Centelles-Anglesola (von den Centelles-Anglesolas, die seitens der Anglesolas mit den Cardona-Anglesolas verwandt waren, und den Erills de Sentmenat, denn die Mutter der Mutter ist Tochter von Eduardo Erill de Sentmenat, über den, kaum, daß er unter der Erde war, das Gerücht umging, es sei gar kein Herzinfarkt gewesen, sondern Selbstmord) so beherzt und ohne eine Träne Mitglied der herrschenden Kirche geworden war.

42
    Wäre da nicht dieser schreckliche Krieg, könnte ich über manches lächeln und weinen zugleich. Heute abend werde ich Dir ein Märchen erzählen, meine Tochter. Alles begann, als ich schlief wie ein Klotz (jetzt, wo ich sowenig Schlaf bekomme, schlafe ich überall ein, sogar auf dem Motorrad). Ich träumte, jemand zersägte mitten im Wald einen Baumstamm, und als ich ihn fragte, »Warum tust du das, Kamerad?«, sagte der Mann: »Damit ihr

Weitere Kostenlose Bücher