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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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keine Regeln gäbe, und ein junger Stellvertreter Caregues mußte dafür den Kopf hinhalten,Valentí Targa von den Roias aus Altron, der entgegen den ausdrücklichen Anordnungen seines Chefs zwölf Männer mit einer besonders wertvollen Ladung die Klamm von Port Negre hinuntergeschickt hatte, weil mich weder Maskierte noch Gott aufhalten oder zwingen können, einen Umweg zu machen, wenn ich mit Ware unterwegs bin. Und so nahmen die Maskierten seinen Männern die Ladung ab, jagten sie in die Flucht und ruinierten Caregue. »Das war die wertvollste Ladung, die ich jemals aus Andorra bekommen habe.« Mit leiser Stimme und zornsprühenden Augen sagte Caregue: »Valentí, Maulhelden wie du kotzen mich an, und ich will niemanden hier haben, der meine verdammte Ladung aufs Spiel setzt. Ich laß dich am Leben, aber du hast drei Tage Zeit, um für immer von hier zu verschwinden, und ich schwöre dir bei allen Heiligen, bei der Muttergottes, bei dem heiligen Joseph, dem Engel, dem Ochsen und dem Esel, wenn ich dich noch einmal hier erwische, in Altron, in Sort oder irgendwo sonst oberhalb von Tremp, lasse ich dich umbringen. Mir reicht der Ärger mit den Maskierten.« Und der junge Targa verbrachte kaltblütig zwei seiner drei Tage Frist damit, die Klamm von Port Negre abzusuchen, bis er am Vormittag des zweiten Tages bei Palanca ein kleines, glänzendrotes metallenes Ding fand, das in seine vor Wut geballte Faust paßte. Eine Zeitlang stand er da,schweratmend, spürte, wie das Metall in seine Hand schnitt und seine Knochen sich mit Haß vollsogen. Dann kehrte er nach Altron zurück, denn der Weg war weit, und er wollte dort sein, wenn es dunkel wurde.
    »Du hast meine Familie wegen Malavella zugrunde gerichtet«, beharrte Ventura.
    »Wir können doch handelseinig werden«, brachte Valentí Targa schließlich heraus. Sicherheitshalber fügte er hinzu: »Ich habe Geld.«
    Leutnant Marcó nahm die Pistole aus der Nase seines Gefangenen. Er steckte sie in die Tasche und öffnete die Mappe.
    »Es gibt kein Entrinnen für dich. Wir werden genauso handelseinig, wie du mit meinem Sohn handelseinig geworden bist.«
    »Fahr zur Hölle,Ventura.«
    »Du zuerst.«
    Statt einer notariellen Beglaubigung oder einer Besitzurkunde von Tuca zog Joan Ventura aus der Mappe ein weißes Tuch, in das eine Ampulle mit einem Injektionsmittel gehüllt war. Er zerdrückte sie innerhalb des Tuches und preßte dann das Tuch auf Valentís Mund und Nase. Dieser zappelte verzweifelt und sagte, »Das wirst du mir noch büßen«, den Blick voller Haß, bis seine Kräfte ihn verließen und er die Augen verdrehte und den Kopf fallen ließ. Sofort schloß Joan Ventura die Handschellen auf, legte Valentí aufs Lenkrad, löste gewissenhaft die Handbremse und sprang aus dem Wagen. Er blieb ruhig, weil er wußte, daß es noch eine Weile dauern würde, bis Tori mit der Milch vorbeikam. Trotz der abschüssigen Straße mußte er den Wagen anschieben. Die Flugbahn des Autos entsprach genau den Berechnungen von Leutnant Marcó, wie das bei sorgfältig geplanten Unternehmungen der Fall zu sein pflegt. Eine elegante Kurve, ein erster Aufprall, bei dem die Scheiben zersprangen und der Wagen zerbeulte, drei Überschläge und der tödliche Kuß mit der Rückhaltemauer, die ihn schon sehnsüchtig erwartete.Der Aufprall verhallte in der Weite des Vall d’Àssua.Ventura lief den Pfad hinunter, den er zuvor ausgespäht hatte, und drei Minuten später stand er vor dem Schrotthaufen. Der eingeklemmte, schwerverletzte Valentí sah ihn hilfesuchend an, und als er erkannte, wen er vor sich hatte, flehte er um Gnade, bevor er wieder das Bewußtsein verlor. Er sollte nicht wach sein, war Leutnant Marcós einziger Gedanke. Der Aufprall hätte ihn töten sollen. Er streckte seine Arme durch das Wagenfenster, nahm Valentís Kopf und machte eine harte Vierteldrehung. Es knackte. Das war’s. Jetzt kann ich ruhig schlafen, mein Sohn.
    Zwei Minuten später saß er auf der Guzzi und ließ die Kehre von Pendís, die Gerade von Sant Antoni und die Hölle hinter sich. »Und als der Milchwagen die Gerade von Sant Antoni entlangkam und Tori beunruhigt ausstieg, weil an der Rückhaltemauer an der Grenze des Gemeindebezirks kopfüber ein Wagen lag, als er ins Dorf gelaufen kam, um Bescheid zu sagen, da wußte ich, daß ich von dieser Nacht an ruhiger schlafen würde, ohne das Bild meines armen Joan mit der Kugel im Auge vor mir zu sehen. Gott, in deiner Güte hast du das wiedergutgemacht, was durch

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