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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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letzte sein, den du machst, bevor du zum Militär gehst.«
    »Nenn mich nicht Jaumet, vor allem nicht vor meinen Freunden und erst recht nicht,wenn Roseta Ventura dabei ist.«
    »Die ist doch noch ein Kind.«
    »Nicht mehr: Sie wird bald fünfzehn.«
    »In Ordnung. Hier. Der Grabstein gehört dir. Du könntest ihn sogar auf lateinisch schreiben, sapperlot.«
    »War er nicht aus Altron?«
    »Von den Roias, ja. Heute bin ich glücklich.«
    »Und warum begraben sie ihn hier in Torena?«
    »Er will wohl ein Auge auf die haben, die er hier auf dem Gewissen hat.«

Fünfter Teil
Kindertotenlieder

Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen.
Friedrich Rückert
    Gemeinsamer Empfang aller Delegationen im Audienzsaal. Zwischen den Gruppen herrscht ein gewisses Mißtrauen. Der Zeremonienmeister kündigt in holperigem Polnisch an, der Heilige Vater werde in Kürze alle Anwesenden zu einer Audienz empfangen: bitte nicht applaudieren, nicht schreien und auch sonst nichts tun, was Seine Heiligkeit stören könnte. Nach der kollektiven Audienz werden dann die fünf bereits zuvor benachrichtigten Familienangehörigen diese Treppe oder Rampe hinaufgehen, um von Seiner Heiligkeit persönlich begrüßt zu werden. Gibt es noch irgendwelche Fragen? Nein? Nun, dann wiederholt er das Ganze radebrechend in den anderen Sprachen.
    Wie aufregend, den Papst aus nächster Nähe zu sehen! In der Basilika war es ja wie im Fußballstadion. Reizend von ihm, wo er doch schon so alt ist, der Arme. Ja. Man versteht ihn kaum. Jetzt spricht er ja auch gerade japanisch. Er sabbert ein wenig. Und die Báscones sabbelt.
    »Also, ich will mich ja nicht beschweren, aber nach diesem wunderbaren Fest zur Heiligsprechung von Don Josemaría hatte ich mir eigentlich etwas Glanzvolleres erhofft, mehr … ich weiß auch nicht.«
    »Na hören Sie mal, das ist doch nicht das gleiche: Diesmal sind es fünf auf einmal, und sie werden auch nur seliggesprochen.«
    »Aber es sind Märtyrer.«
    »Da haben Sie allerdings recht.«
    Als nach der Rede des Heiligen Vaters die Angehörigen an der Reihe sind, tritt zuerst ein runzliger Alter vor, der vor Angst zittert, als er vor dem Pontifex Maximus niederkniet.Aus dem Lächeln des Papstes schließen die Insider, daß er ein Angehöriger des polnischen Soldaten ist, der von den Horden ermordet wurde.Vielleicht ein kleiner Bruder. Oder ein Sohn. Oder ein Neffe. Oder … Unmöglich, es in Erfahrung zu bringen, schließlich kann kein normaler Mensch verstehen, was die Polen reden, die Armen.
    Dann folgt eine afrikanische Nonne und danach eine Frau mit einem sehr dunklen Gesicht und schneeweißem Haar, die in einem Rollstuhl geschoben wird und eine Schwester oder eine Tante der anderen Nonne sein könnte, die von den Horden ermordet wurde. Angesichts der gelähmten Greisin sieht es so aus, als wolle der Papst sich von seinem Platz erheben, aber der Arzt in Chorhemd und Gehpelz setzt zu einem gebieterischen Nein an, und der Papst versteht sofort und gehorcht.
    Jetzt ist eine ganz in Schwarz gekleidete Dame an der Reihe. Sie ist elegant, schmal, trägt eine getönte Brille und Schuhe mit silbernen Schnallen, preßt eine schwarze Ledertasche an sich und kniet zum zweiten Mal in ihrem Leben vor einem Mann nieder. Der Papst beugt sich zu einer Begrüßungsfloskel vor, aber sie redet leise auf ihn ein, und der Papst hört ihr zu, zunächst ein wenig beunruhigt, dann mit wachsendem Interesse, und nach zwei Minuten tauschen die Anwesenden die ersten ratlosen Blicke, denn das war nun wirklich nicht vorgesehen. Drei Minuten. Der Arzt im Chorhemd sieht zum Kardinalkämmerling herüber, und der reißt die Augen auf, um zu verstehen zu geben, daß er keine Ahnung hat, worum es geht, und nach vier Minuten spricht der Papst, und der Arzt im Chorhemd muß ein paar Schritte beiseite treten, um nicht zu hören, was er sagt. Die beiden halten ein Plauderstündchen, und wir dürfen warten. Wer ist diese Dame? Ich weiß es nicht, bestimmt eine Schwester. Oder vielleicht die Witwe. Ja, denn der selige Fontelles wäre jetzt … Sechsundachtzig wäre unser Seliger jetzt. Frag mal Hochwürden Rella. »Ich weiß, wer sie ist: Retinopathie mit Mikroaneurysmen aufder Netzhaut: Wenn Sie den Mund halten, sage ich Ihnen, wer sie ist.«
    »Was macht Mamà da? Was zum Teufel erzählt sie ihm?«
    »Sei still, jeder kann dich hören.«
    »Immer muß sie eine Show abziehen. Hat sie dir was davon gesagt?«
    »Mir? Mit mir redet sie seit Ewigkeiten nicht mehr, mein

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