Die Stimmen des Flusses
aus dem Fenster in die gesprenkelte Landschaft der Tropfen auf der Scheibe.
»Schick Gómez Pié hin. Zur angegebenen Uhrzeit.«
»Morgen in aller Frühe.«
»Mal sehen, ob er etwas findet, was uns interessieren könnte. Ich kehre nach Torena zurück, für den Fall, daß weitere Anweisungen von diesen Verrückten kommen.«
»Laß uns die Polizei benachrichtigen.«
»Nun gut, damit wir uns verstehen: Wenn du die Polizei benachrichtigst, werfe ich dich raus.« Sie lehnte sich im bequemen Sitz zurück und schwieg.
»Werden wir bei dem Empfang Freunde treffen?« fragte Gasull, um das Thema zu wechseln.
»Ich werde von Leuten umgeben sein, die ihr ganzes Leben lang Freund der Monarchen waren.Wie ich.« Sie schloß die Augen: »Und jetzt muß ich mich konzentrieren.«
Gasull sah sie an und wußte nicht, ob er lächeln oder ernst dreinblicken sollte. Sie schloß die Augen und gab ihm keinerlei Hinweis, und er wagte nicht, um eine Erklärung zu bitten. Elisenda war einfach bezaubernd an diesem regnerischen Nachmittag auf dem Weg zur Hafenbehörde.
Der Empfang war langweilig und seltsam. Da der frischgebackene König keine Wunder vollbringen und nicht bei allen Empfängen, die alle Militärregionen zu seinen Ehren veranstalteten, gleichzeitig sein konnte, mußten die Gäste zusehen, wie die anwesenden Militärs zackig vor einem Telefunken- Fernsehgerät mit einem zweiundzwanzig Zoll großen Bildschirm salutierten, auf dem das Bild des Königs zu sehen und seine kurze Rede zu hören war. Danach wurden Händegeschüttelt, man verbeugte sich, lächelte, und jemand warf ihr einen schrägen Blick zu und sagte, das ist die Vilabrú, die von Brusport, ja, die Multimillionärin, und Mamen kam von der anderen Seite des Raumes herüber, mit ausgestreckten Armen, geneigtem Kopf und einem starren Lächeln auf den Lippen, ein Glas Whisky in der Hand, und machte Anstalten, sie zu umarmen, ob sie wollte oder nicht, wobei der Whisky gefährlich im Glas schwappte. Und als sie in ihrer Nähe war, rief sie: »Ist es nicht wundervoll, daß wir einen König haben, Eli?« Sie wurde nicht wütend und erinnerte sie nicht an Quique, sondern beschränkte sich darauf, zu lächeln und an den Brief zu denken, in dem es hieß, Elisenda, du Schlampe.
Am nächsten Tag beim Frühstück war der Orangensaft gleich, der Toast und der Tee waren gleich, und sogar Ció war gleich. Aus dem Berg von Korrespondenz fischte Elisenda einen Umschlag heraus, der ihr sehr vertraut war. Diesesmal war er nicht gräulich, sondern grünlich. Er war in Sort abgestempelt, und auf dem grünen Papier stand in der gleichen Schrift Ich bin der von gestern Denk heute nacht an die zwanzig Millionen und wenn du die Polizei benachrichtigst bringe ich deinen Enkel um und erzähle der Welt in allen Einzelheiten was du alles mit dem Lehrer Fontelles und deinen anderen Liebhabern getrieben hast nämlich mit Valentí Targa einem mörderischen falangistischen Bürgermeister und mit Jacinto Mas dem Chauffeur und grossen Stecher dem Rechsanwalt Gasull und diesem Versager namens Quique Esteve also überleg Dirs gut du Flittchen und sicher gab es noch andere denn deine Möse ist unersättlich Gruppe für revolutionäre Aktion und Kastration ( GRAK ) Elisenda versteckte den Umschlag sorgfältig, denn sie hatte nicht vor, Gasull eine falsche Liste ihrer Liebhaber zu zeigen. Grak. Hier war eine schwierige Lösung gefordert. Tu immer, was du tun mußt, wenn du glaubst, es tun zu müssen. Zu jedermanns Bestem.
»Und wenn die Geschäfte auch noch so schlechtgehen sollten, laß dir nicht einfallen, von den Venturas auch nur einen Duro zu nehmen. Es werden bessere Tage kommen, und dann wird man ungestraft den richtigen Namen der Leute auf den Grabstein meißeln dürfen, Jaumet.«
»Das hat Großvater gesagt?«
»Ja. Achtung, Amèlia, mein Kind. Hier, wir legen ihn hier oben drauf.«
»Wie brutal, dieser Bürgermeister, oder?«
»Jaume, meinst du nicht, die sagen was, wenn du so einfach …«
»Was können sie mir schon tun? Mich erschießen? Franco ist schon seit vierundzwanzig Stunden tot.«
»Vielleicht solltest du das mit der Ventura besprechen.«
»Geschenke müssen eine Überraschung sein, sonst taugen sie nichts.«
»Und wer ist Roseta Esplandiu,Vater?«
»Eine Schwester von Ventureta.«
»Ihr Herz war rein und groß wie der Montsent. Wer hat dich um diesen schönen Grabspruch gebeten?«
Jaume Serrallac strich mit seiner rauhen Hand über den glatten Stein, um jedes
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