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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Fàrias und drei Büchsen Sardinen an Burés (einen selbstlosen, aufrechtenPatrioten). Nein, statt Sardinen, Fàrias, Tabak, Zigarettenpapier oder Celtes hatte sie ihnen Insulin, Paracetamol oder eine Flasche mit einem sofort wirkenden Antifibrinolytikum verabreicht, vielleicht sogar ein paar Tropfen Antihystamine, die Rettung im Falle eines anaphylaktischen Schocks.
    »Eine Bisontes, Cecilia.«
    Die Báscones ging in den Hinterraum des Ladens, wo sie die Büchsen mit Tomaten und die bunten Wollknäuel aufbewahrte, legte das Päckchen Bisontes auf die Präzisionswaage, sah, wie Seidlitzpulver auf die andere Waageschale fiel und stellte sich vor, wie sie Arzneien fabrizierte. Mit verklärtem Blick kehrte sie in den Laden zurück, das Päckchen Bisontes in der Hand.
    »Und eine Steuermarke für fünfzig Cèntims. Cecilia, hörst du mir überhaupt zu?«
    »Paracetamol, ja.«
    »Cecilia …«
    »Ja, ein Tabakladen ist nicht das Schlechteste. Sehen Sie doch, wie klapperig der Papst aussieht.«
    »Das haben wir gerade noch so hingekriegt mit unserem Seligen Oriol.«
    »Mit dem Seligen José O Punkt Fontelles.«

52
    Um drei Uhr morgens schaltete sie erschöpft den Computer aus. Ein Traum hatte sie dazu bewogen, das letzte Heft von Oriol Fontelles abzutippen. Ein paar Nächte zuvor war sie schweißgebadet aufgewacht, weil sie geträumt hatte, die Zigarrenkiste würde zerstört. Jordi hatte, offenbar ohne jede böse Absicht, die Hefte benutzt, um das Kaminfeuer anzuzünden, und als sie den Schauplatz des Verbrechens betrat, war er gerade dabei, die Kiste zu zerlegen. Eine fremde Frau stand an seiner Seite, und sie erschrak und erwachte. Jordi lag auf seiner Seite des Bettes und schlief sanft und selig. Sie hatte aufstehen und nachsehen müssen, ob die Schachtel noch in der zweiten Schublade ihres Schreibtischs lag. Da war sie. In diesem Augenblick hatte sie dreierlei beschlossen: Sie würde die Hefte abtippen, sie würde sich erkundigen, wie das mit einem Banksafe funktionierte, und sie würde Jordi nichts von Oriols Heften erzählen.
    Ihren ersten Beschluß hatte sie soeben in die Tat umgesetzt. Sie hatte eine ganze Menge bedruckter Seiten beisammen, die sich leichter lasen als die Hefte, denen aber die Patina fehlte, die beinahe sechzig Jahre auf den Blättern hinterlassen hatten.
    Da kam ihr der Gedanke, um drei Uhr morgens, als sie längst im Bett hätte liegen sollen, noch dazu, wenn das Thermometer am Wohnzimmerfenster weit unter null Grad zeigte. Sie machte sich einen Kaffee, weil um diese Uhrzeit nichts mehr offen hatte, zog ihren wärmsten Anorak über und verließ so leise wie möglich die Wohnung. Auf der Straße gefror ihr Atem zu einer dichten Wolke. Es schneite nicht, aber die Straße war mit schmutzigem, zertrampeltem Schnee bedeckt. Der 2CV, der in der Nähe geparkt war, sprang problemlosan. Kurz darauf hatte sie den Ort schon hinter sich gelassen, war allein unterwegs mit kalter Seele und brennenden Augen vom angestrengten Starren auf den Bildschirm. Jetzt mußten sie sich an das glatte Band der schneegesäumten Landstraße gewöhnen. Sie zitterte vor Kälte, weil die Heizung des Wagens erst nach ein paar Kilometern spürbar warm werden würde. Was soll’s, dachte sie. Viel schlimmer war es, zu wissen, daß Jordi nicht aufrichtig war, daß er sie höchstwahrscheinlich mit einer gemeinsamen Bekannten betrog. Und wenn die unbekannte Frau eine Prostituierte war? Jede Woche die gleiche? Nein, die Frau konnte keine Unbekannte sein: Jordi hatte sie in der Schule aufgegabelt, weil er weder Zeit noch Gelegenheit hatte, neue Bekanntschaften in einem anderen Umfeld zu machen; er hatte kein anderes Umfeld. Sie kam also aus der Schule. Das Problem war, daß es an der Schule neunzehn Lehrerinnen, zwei Sekretärinnen, zwei Köchinnen und drei Putzfrauen gab, also sechsundzwanzig mögliche Kandidatinnen, fünfundzwanzig ohne sie. Hinter ihr blendete jemand auf, und sie erschrak, weil sie als erstes dachte, Jordi sei hinter ihr her. Sie fuhr langsamer und so dicht an den Straßenrand, daß sie fast den Schnee berührte. Die Kolleginnen. Sie ging sie in Gedanken noch einmal durch: Dora, Carme, Agnès oder Pilar. Nein, Pilar nicht, die war sechzig. Ich glaube jedenfalls nicht. Agnès, die aussah, als könnte sie nicht bis drei zählen, es aber faustdick hinter den Ohren hatte … Oder Carme, die schon eine Scheidung und zwei Männer aufweisen konnte. Das ist eine von denen, die nie genug kriegen, man sieht das Feuer in ihren

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