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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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und der Falange Treue bis in den Tod geschworen, und kaum ist der Caudillo tot, unser Führer, unser Leitstern,da wird das ganze Land über Nacht monarchistisch. Darum drehten beide Männer dem Fernsehgerät ostentativ den Rücken zu, während sie ihren Wein tranken. Als Gómez Pié nicht antwortete, fuhr Jacinto fort: »Bist du hier, um mich umzubringen?«
    »Warst du’s?«
    »War ich was?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du befolgst Befehle, und das war’s.«
    »Wie du.Wir haben immer das gleiche gemacht.«
    »Ja, aber Senyora Elisenda erträgt es nicht, daß ich sie hab sitzenlassen, weil ich nach so vielen Jahren Arbeit die Schnauze voll hatte und Zeit für mich gebraucht hab.«
    »Ist es wahr, daß du und sie …«
    »Ich könnte dir jeden einzelnen Zentimeter ihres Körpers beschreiben. Sie ist heiß. Ein bißchen nuttig. Bläst phantastisch, sogar im Auto.«
    »Mann.«
    Jacinto lächelte. Er überlegte, ob er sich auf seinen ehemaligen Kumpan stürzen oder sich mit einem Minimum an Würde umbringen lassen sollte. Er dachte daran, wie beeindruckt die Leute von Zuera sein würden, wenn er von Händen eines Pistoleros starb.Wer hätte das vom Bruder von Nieves gedacht, so ein friedlicher Mann mit seinem Garten und seinen Glyzinien.
    »Gehen wir woanders hin.«
    »Nicht nötig«, sagte Gómez Pié und stand auf. Jacinto dachte, das war’s, jetzt wird er die Pistole ziehen, auf meine Stirn zielen wie Targa und tschüß. Gómez Pié steckte die Hand in die Tasche, zog Kleingeld heraus und legte es auf den Tisch. Er sagte schroff: »Hör auf, Ärger zu machen und anzugeben, oder du kriegst ernsthaft Probleme.« Dann ging er in die Dezemberkälte hinaus, die Promenade am Fluß entlang, und Jacinto sah ihm nach, überrascht, innerlich noch ein wenig zitternd, und fragte sich, ist er nur gekommen, um mir den Kopf zu waschen? Er war stolz, daß er tapfer genuggewesen war, keine Szene zu machen, und trank sein Weinglas leer, während er dem Mann hinterherblickte. Und gerade als Gómez Pié unter der Straßenlampe stand, verschwamm Jacinto plötzlich alles vor Augen, sein Kiefer wurde starr, und sämtliche Luft wich aus seinen Lungen. Das Weinglas fiel zu Boden und gab ein fröhliches Kling von sich, bevor es unter dem Fernsehbord in tausend Scherben zersprang, genau wie das Leben von Jacinto Mas.
    »Was soll das heißen, was erzählt wird?«
    »Nichts. Es gab Gerüchte, daß Senyora Elisenda … Was soll’s.«
    Was soll’s. Daß Senyora Elisenda was soll’s. Gerüchte.Tina vermerkte sie in ihrem Gedächtnis; es schwindelte sie ein wenig, und sie versuchte, auf den Tag zurückzukommen, an dem der Lehrer gestorben war, daß ihr ja nichts entging, jetzt, da jemand vor ihr saß, der beinahe mit angesehen hatte, wie der Lehrer starb. Deshalb sagte sie: »Fahren Sie bitte fort, ich will alles wissen.Was ist noch passiert?«
    »Nein, nur … Durch den Angriff wurde die Fassade des Rathauses beschädigt.Wahrscheinlich sind die Schäden noch zu sehen, wenn sie es nicht renoviert haben.«
    »Und sonst nichts?«
    »Naja, mein Bein wurde auch beschädigt, deshalb hinke ich.«
    »Was hat der Maquis noch getan?«
    »Sie sind geflohen wie die Ratten. Einen haben wir getötet, und sie haben unseren Lehrer erwischt.«
    »Mein Gott, mein Gott, das kann nicht sein.Wie ist das nur passiert. Noch vor kurzem … Heute morgen … Gestern abend … Wie kann denn nur …«
    »Ich weiß es nicht, Hochwürden. Der Maquis. Passen Sie auf, wo Sie hintreten.«
    Hochwürden August Vilabrú blinzelte, als er die Kirche von Sant Pere betrat.Trotz des matten Lichts der Glühbirnen blendete ihn ein Schein, von dem er erst später verstand,daß er wundersamer Herkunft sein mußte. Zuerst bemerkte er den Bürgermeister in Falangeuniform, der in einer Bank saß. Es war das erste Mal, daß er Targa mit hängendem Kopf sah. Dann sah er seine Nichte, die blutbefleckt vor dem Altar stand und leise betete. Und zuletzt erblickte er den ausgestreckten Körper zu Füßen des Altars, wie ein Opfer für die Gottheit. Herr im Himmel, der Lehrer. Aus einer Jackentasche des Toten sah ein Buch hervor: der Kempis. Der Lehrer mit dem Kempis und einem Loch in der Stirn.
    »Was ist passiert, um Himmels willen?«
    Mit ruhiger Stimme schilderte ihm Bürgermeister Targa in allen Einzelheiten, die erstaunlichen, ja nahezu wunderbaren Ereignisse und endete leise und bedrückt mit der Anklage: »Joan von den Venturas war’s. Er hat geschossen.«
    »Wer?«
    »Der Schmuggler

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